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Tipps & Tricks Nr. 81 – Harmonie: Präsenz akzeptiert keine Deutungshoheit

Gar nicht so selten tauchen im Focusing Begriffe auf, die auf den ersten Blick zwar erst einmal beschreiben, was ist; nicht hinterfragt können diese auf den zweiten Blick aber zu einer einseitigen Deutungshoheit führen, die es mir insgesamt schwierig macht, neue Wege zu finden.


So taucht zum Beispiel ein Aspekt auf, der mir mitteilt, „Harmonie“ wäre sehr wichtig, ja überlebenswichtig. Zusammen mit diesem Teil taucht ein weiterer auf, der meint „So will ich auf gar keinen Fall sein.“ und schlägt das spüren des „Eigenen“ als Gegenmittel vor.


Ein gemeinsames Thema …

Es entsteht ein Hin und Her und Gegeneinander; ein erschöpfendes inneres Gerangel um ein gemeinsames Thema, das zu wenig führt, auch wenn fleißig reflektiert und beschrieben wird.


… mit nur einer, meist unausgesprochenen, Definition

Ausgehend von EINER EINZIGEN, meist unausgesprochenen, Definition oder Deutung des Wortes „Harmonie“ bringt solch ein Aspekt eine starke Überzeugung mit, was andere Teilaspekte in mir zu tun oder zu lassen haben.


Bei genauerem Hinhören stellt sich z.B. heraus, dass alle Teile, die nicht in das Bild „Harmonie“ passen, unterdrückt werden sollen: „Um Harmonie zu erleben, passe ich mich völlig an.“


An solch einer Stelle bemerke ich, dass ich einer Art Grundstimmung in mir auf der Spur bin; einem Teil, der alles ausschließlich in der eigenen Logik sieht und über diese Deutungshoheit auch alle anderen Aspekte in seinen Bann zieht.


Wenn ich diese Hoheit akzeptiere würde, dann wäre ich darin gefangen. Dies mitzubekommen kann sehr schwierig sein; oft aus dem einfachen Grunde, dass das vorgestellte Problem („das ist mein Problem“) oder auch Ziel („das will ich erreichen“) auf den ersten Blick stimmig wirkt.


Die anschließende Befreiung ist dann, sobald die Deutungshoheit eines Teilaspekts erkannt wurde, einfach.


Befreiung aus der einen Definition …

Zum einen ist die differenzierte Beschreibung dessen wichtig, wie dieser Begriff im Moment benutzt wird; was er bedeuten soll.


Im Falle von „Harmonie“ ist das oft ein Wenn-Dann-Satz, z.B. „Wenn ich perfekt (angepasst) bin, dann ist die Harmonie garantiert.“ Oder „Wenn ich nur auf die Bedürfnisse der Anderen achte, dann ist es harmonisch.“ Es kann auch eine Aussagesatz entstehen, z.B. „Harmonie bedeutet, meine eigenen Bedürfnisse nicht wahrzunehmen und nicht mitzuteilen.“


Allein diese eingehende Beschäftigung mit dem vorgebrachten Begriff hilft schon, Platz zu schaffen und zu einem „Ich höre dich.“ oder „Ich verstehe dich.“ anstatt eines „Ja, so bin ich halt.“ oder „Ja, das MUSS ich schaffen.“ zu kommen.


… und hin zu den vielen Definitionen

Zum anderen geht es darum, den benutzten Begriff als übergeordnetes Thema ernst zu nehmen – darum geht es – und ihn gleichzeitig den anderen Aspekten, die darin gefangen sind, vorzulegen, vielleicht mit folgenden Fragen:

  • Was genau bedeutet „Harmonie“ für DICH, aus DEINER Perspektive?

  • Wie würdest DU „Harmonie“ verstehen?

  • Was ist für DICH wichtig, wenn du den Begriff „Harmonie“ hörst?

Dies gilt auch für Aspekte, die z.B. sagen „Ich will mit Harmonie nichts zu tun haben“ und „Ich will etwas Eigenes haben. Ich will mich nicht mehr anpassen.“ – Hier könnte genau untersucht werden:

  • „Ich verstehe, du möchtest mit DIESER Bedeutung von Harmonie nichts zu tun haben.“

  • „WENN du etwas Eigenes haben und dich nicht mehr anpassen möchtest, was könnte DANN „Harmonie“ für DICH bedeuten?“

Im weiteren Verlauf geht es dann nicht darum, welcher der verschiedenen Aspekte Recht hat. Vielmehr wird durch das Zuhören, Verstehen und gleichzeitige Halten der vormals widersprüchlichen Meinungen ein kreativer Prozess möglich – und es können sich neue Möglichkeiten oder Lösungswege ergeben. Manchmal reicht es auch aus, einfach nur die verschiedenen Seiten zu hören.


Präsenz interessiert sich für die einzelnen Stimmen

Was lerne ich daraus? Präsenz übernimmt keine Bedeutungen und Definitionen von Teilen. Deutungshoheiten werden erkannt und nicht akzeptiert.


Im Gegenteil: Präsenz stellt sicher, dass jeder Aspekt seine eigene Definitionsmacht, seine eigenen Stimme hat. Ganz konkret. Jedem einzelnen Teil wird uneingeschränkt und unabhängig zugehört. Wenn ich alle Positionen und Definitionen gehört habe, dann kann im gegenseitigen Verstehen, in mir, etwas Neues entstehen.

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