Jemand stellt folgende Frage:
„Wenn ich mit einer Focusing-Sitzung beginne, dann habe ich oft viele Gedanken. Im weiteren Verlauf verliere ich mich dann entweder in diesen Gedanken, und das führt zu nichts bzw. ich komme gar nicht erst ins Focusing; oder mir kommt es so vor, als ob die Gedanken sinnlos und zufällig sind. Es ist dann so, als ob die Gedanken eigentlich nur eine hohe Aktivität oder Aufregung in mir spiegeln; wie ein Motor, der ständig weiterdreht und nicht zur Ruhe kommt. Welche Möglichkeiten sehen Sie, mit dieser Situation umzugehen?"
Vielen Dank für diese Frage. Sie beschreiben, wie schwierig es manchmal ist, mit Gedanken umzugehen. Sind diese Gedanken nur sinnloses Geplapper? Zufällig? Sie beschreiben auch, wie einfach es ist, sich in den Gedanken zu verlieren.
Versinken und sich verlieren
Beide Situationen haben gemeinsam, dass etwas fehlt: Eine Beziehung zu dem, was wirklich passiert. Wenn Sie sich in den Gedanken verlieren, dann ist es wahrscheinlich, dass wieder und wieder etwas kommentiert, ausgeschmückt, interpretiert, analysiert wird; und Sie selbst versinken darin, ohne dass sich etwas bewegt.
Ähnlich ist es, wenn Ihnen die Gedanken als eine Art leere, zufällige Aktivität erscheinen. Sie verlieren sich dann nicht direkt in den Gedanken, aber wohl in einer Art Interpretation („das ist ja nur …“), die zu nichts führt.
Ins Spüren kommen
In beiden Fällen ist es wichtig, dass Sie sich erst einmal wieder etwas mit Ihrem eigenen Spüren rückverbinden. Gedanken haben etwas sehr luftiges und subtiles und werden leider oft generell abgewertet („ich bin verkopft“) oder versucht durch einen Zustand „ohne Gedanken“ zu ersetzen („ich bin erleuchtet“).
Aus meiner Erfahrung ist es hilfreicher, als erstes eine Verbindung zum Spüren herzustellen. Im Focusing werden Gedanken als Teil des Prozesses betrachtet. Sie bieten einen Zugang zu dem „Mehr“ eines Felt Sense – wenn man lernt Ihnen in der richtigen Art und Weise zu begegnen.
2 Varianten – und eine Grundregel
Es gibt mindestens die zwei Varianten mit Gedanken in Kontakt zu kommen, die Sie schon beschrieben haben. Die Grundregel ist dabei immer, dass Sie nicht versuchen mit „den Gedanken“ zu arbeiten. Vielmehr läuft eine Kontaktnahme immer über die Präsenzsprache, also zum Beispiel „Ich nehme etwas in mir wahr, das ____________ sagt.“ Wenn Sie mit den Inhalten der Gedanken arbeiten wollen ohne sich zu verlieren, die erste Variante also, dann ist dies der richtige Weg.
Für die zweite Variante, die „zufällige Aktivität“, gilt auch die Präsenzsprache; allerdings zoomen Sie in diesem Fall aus den Inhalten heraus und nehmen eher das Gefühl, die Textur, wahr. Sie haben vielleicht eine Metapher wie die vom Motor oder der Aktivität. In Präsenzsprache hört sich das dann in etwas so an: „Ich spüre etwas in mir, das im Moment sehr aktiv ist.“
Wenn Sie merken, dass dies trifft, dann haben Sie ein lebendiges Gegenüber, einen Felt Sense, das höchstwahrscheinlich viel mehr ist und bedeutet, als Sie gerade noch dachten ;)
Auf der Suche nach Etwas in mir, das sich äußert
Ein einziger Satz in Präsenzsprache ist für sich gesehen natürlich völlig nutzlos. Solch ein Satz ist im besten Falle eine Interessenerklärung oder eine Möglichkeit. Sie teilen damit mit, dass Sie anfangen sich zu interessieren. Anstatt sich zu verlieren (in den Inhalten der Gedanken) bzw. die Gedanken als etwas anderes zu interpretieren (und zu bewerten), fangen Sie an „etwas in Ihnen“ zu suchen, das sich äußern möchte.
Wenn Sie „etwas in Ihnen …“ anfangen zu beschreiben, kommen Sie automatisch von den Gedanken weg, die scheinbar unverbunden in Ihnen Ihr „Unwesen treiben“.