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Tipps & Tricks Nr. 62 – Habe ich eigentlich Interesse an dem, den ich liebe?

In dem von mir in Hamburg organisierten Seminar mit Ann Weiser Cornell am vergangenen Wochenende sagte sie einmal:


„My family loved me, but they were not interested in me.“

(“Meine Familie hat mich geliebt, aber sie war nicht an mir interessiert.”)


Dieser Satz hat mich bewegt. Kann es sein, dass gerade der, den ich liebe (oder die, die ich liebe) sich genau so fühlt: „Da ist kein Interesse an mir.“?


„Sicherlich“, dachte ich weiter, „wenn ich zum Beispiel an meinen Sohn denke, ja, die Liebe für ihn ist immer da.“ Aber diese Liebe ist etwas anderes, als wenn ich mich meinem Sohn wirklich mit Interesse begegne. Dieses Interesse entsteht in konkreten Momenten.


„Interesse ist mehr, und ganz anders als Liebe …“, wird mir klar und im selben Augenblick erzählt Ann von Eugene Gendlin‘s Einstellung zu anderen Menschen, mit denen er arbeitet. Sie zählt diese Einstellung folgendermaßen auf:

  • Du bist immer einzigartig; und

  • Ich weiß nicht, wie du jetzt gerade bist; und

  • Es ist sehr wahrscheinlich, dass du gerade völlig anders bist, als was ich erwarte; und

  • Deshalb werde ich natürlicherweise offen und interessiert; gespannt darauf, wie du jetzt gerade bist.

Wie drückt sich diese Offenheit, dieses neue Interesse aus? Es ist der einfache Akt des Sich-Zuwendens. Indem ich mich zuwende, verändert sich alles. Interesse und Beziehung entsteht.


Mich zuwenden kann ich mich nur, wenn ich innerlich frei bin. Unfrei dagegen bin ich, wenn ich nicht an der Einzigartigkeit einer Person (oder eines inneren Prozesses) interessiert bin. Dies drückt sich darin aus, dass ich „schon alles weiß“, parteiisch bin, argumentieren will und nicht zuhöre, mich nicht zuwende.


In mir formulieren sich die Fragen „Wann war ich das letzte mal wirklich interessiert an meinem Sohn? Wann habe ich mich das letzte mal wirklich dafür interessiert, was meine Frau bewegt, wenn Sie von Ihrem Tag erzählt?“ – wann habe ich mich das letzte mal wirklich zugewandt?“ Mir fallen konkrete Situationen ein, und das fühlt sich gut an.


Im Focusing ist es ähnlich: „Wann habe ich mich das letzte mal wirklich für ___________ interessiert? Wann habe ich mich das letzte mal wirklich ___________ zugewandt?“ Auch hier fallen mir konkrete Situationen ein.


Mir wird auch klar: Mich zuzuwenden, mich wirklich zu interessieren, das kann gerne noch viel öfter passieren. Wann werde ich mir wohl in Zukunft Zeit nehmen, langsam vorangehen, und mich nicht-wissend zuwenden und mit wirklichem Interesse zuhören?


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