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Tipps & Tricks Nr. 59 – Wie kann ich meine Empörung am besten handhaben?

Jemand stellt folgende Frage:


„In meiner letzten Sitzung ging es um eine große Empörung darüber, wie ein Kollege mich behandelt hat. Ich kann diesen Teil als etwas Zusammengezogenes, Verkrampftes und Geballtes in meinem Bauch wahrnehmen. Meine Frage an diesem Punkt war, wie ich diesen Teil handhaben kann, damit er sich mehr entspannen kann.“


Vielen Dank für diese Frage. Sie können körperlich wahrnehmen, wie sich etwas in Ihnen empört und dabei zusammenzieht. Ihre Frage zielt darauf, wie Sie diesem Erleben mehr Entspannung ermöglichen können. Sie fragen, wie Sie dies „handhaben“ können.


Eine Frage entsteht

Ich stolpere bei Ihrer Frage genau über das „Handhaben“; und auch über das „damit …“ – denn wenn Sie die Empörung direkt so angehen, dann ist noch lange nicht verstanden, worum es eigentlich geht. Lassen Sie uns also innehalten und in Ruhe auf den Moment achten, an dem diese Frage entstanden ist.


Was erleben Sie im Moment?

Sie erleben ja in dem Moment, in dem diese Frage auftaucht, eine Art Verwirrung. Es geht nicht weiter, und Sie wissen nicht, was Sie tun können um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.


Die Entstehung der Frage selbst ist für die Begleitung und auch für Sie selbst ein klarer Indikator: Weißt die Frage „Wie kann ich diesen Teil handhaben, damit er sich mehr entspannen kann?“ die grundlegenden Qualitäten von Präsenz auf, also zum Beispiel Offenheit, Interesse und Empathie?


Die Antwort: Nein. Warum? Weil Offenheit, Interesse und Empathie in erster Linie daran interessiert wäre, über was genau es sich eigentlich empört; und nicht an der Entspannung. Es ginge um einen Entwicklungsprozess für etwas in Ihnen, das sich empört.


Wer stellt die Frage?

Die Frage nach der „Handhabung“ verdeckt, wer diese Frage eigentlich stellt. Es geht durch die gezielte Frage scheinbar nur um die Empörung und wie diese in den Griff zu bekommen ist. Dabei ist da höchstwahrscheinlich etwas in Ihnen, das es verhindern möchte, dass Sie Empörung spüren. Und dieser Teil stellt die Frage nach der Handhabung und sieht Empörung auch eher als ein „Problem“ als einen Gesprächspartner.


Einen Haken schlagen

In solch einer Situation gibt es mindestens drei Richtungen, in die Sie gehen können. Ich finde nur eine davon empfehlenswert und eine bedingt empfehlenswert.

  1. Blind weitergehen. Sie gehen der Frage nach, die gestellt wurde. Nicht empfehlenswert. Ihr Focusing wurde von einem Teil gekapert, der seine Sichtweise als absolute Realität sieht.

  2. Zuwenden. Sie wenden sich dem zu, der fragt. Bedingt empfehlenswert, wenn Sie darauf achten, den anderen Aspekt nicht unter den Tisch fallen zu lassen.

  3. Einen Haken schlagen. Die Verwirrung im Prozess verstehen und eine neue, eigene Richtung finden, die der Haltung von Präsenz entspricht. Dies wäre in diesem Fall vielleicht zu fragen: „Worüber bist du denn eigentlich so empört? Ich will dir zuhören und das verstehen. Ich weiß das ja nicht. Kannst du versuchen, das für mich zu formulieren? Ich nehme mir Zeit, alles zu hören, was du mir darüber sagen kannst.“ Empfehlenswert! Sie nehmen Verantwortung für Ihren Prozess und verkörpern wieder Offenheit, Interesse und Empathie. Sie steigen konsequent aus dem vorgegebenen Schema aus und bleiben frei. Sie bleiben auch frei, sich dem Teil zuzuwenden, der sich vor der Empörung sorgt.

Nur der Punkt 3, einen Haken schlagen, führt dazu, dass sich der Aspekt in Ihnen, der sich empört, endlich wirklich gehört fühlen wird. Und dies ist die Voraussetzung dafür, dass Beziehung und echte Veränderung möglich wird.

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