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Tipps & Tricks Nr. 56 – Ich bin immer nur bei Anderen, was sie denken oder brauchen

Jemand stellt folgende Frage:


„Egal in welcher Rolle ich bin, Begleitung oder Focuser, ich verliere immer das Gefühl für mich selbst. Ich bin dann ganz bei dem Anderen und frage mich, was sie tun oder denken. Mir wird langsam klar, wie normal das für mich ist. Ich bin sehr sensibel und nehme immer hauptsächlich andere Menschen wahr – und kann schlecht bei mir bleiben. Mir scheint, dass diese Grundhaltung dazu führt, dass ich gar kein Focusing praktizieren kann. Ich möchte damit weiterkommen, weiß mir aber keinen Rat, wie ich aus diesem Muster kommen kann, weil ich ja selbst im Focusing so funktioniere.“


Vielen Dank für diese Frage. Sie fragen sich, wie sich das automatische Verhalten „nur bei dem Anderen zu sein“ verändern könnte. Selbst im Focusing, bei dem es ja ausschließlich um den eigenen Prozess geht, erleben Sie diesen Sog zu der anderen Person hin – und wie Sie das Gefühl für sich selbst verlieren.


Ja, Im Focusing gibt es einige konkrete Dinge, die Sie tun können, um an dieses Muster heranzukommen.


Eingeübtes Verhalten

Ein über Jahre und vielleicht Jahrzehnte eingeübtes Verhalten lässt sich nicht schnell komplett verändern. Wenn Sie zum Beispiel schon als Kind darauf angewiesen waren gegenüber einem unberechenbaren Elternteil jederzeit alle Antennen ausgefahren und sensibilisiert zu haben, dann ist eine ständige Alarmbereitschaft so natürlich für Sie wie die Luft, die Sie atmen.


Focusing als Laboratorium für Neues

Sie können das Focusing-Tandem als eine Art Laboratorium für Neues betrachten. Denn wenn Sie es gewohnt sind, sich selbst völlig in den Hintergrund zu stellen und nur auf die Bedürfnisse der Anderen zu achten, dann wird das erst einmal auch im Focusing passieren; das haben Sie ja auch beschrieben. Im Focusing haben Sie aber (vielleicht zum ersten Mal) Raum; und Sie können langsam vorangehen, sich Zeit lassen. Dadurch können Sie Neues entdecken.


Um damit anzufangen ist es wichtig, das Phänomen direkt, offen und ehrlich zu beobachten und zu beschreiben; und zwar in dem Moment, in dem es passiert. Dies beinhaltet natürlich auch alle eventuell vorhandene Selbstkritik („du bist doch sowieso total langweilig.“, „niemand interessiert sich für dich.“, „es ist doch wichtig, dass es denen dort gut geht – und nicht dir.“ etc.pp.)


Beschreiben während es passiert

Denn es ist so: Wenn Sie beschreiben können, wie etwas in Ihnen z.B. in einem Sog zu der anderen Person hingezogen wird, dann bleiben Sie - WÄHREND dies passiert – trotzdem bei sich. Durch das Beschreiben bleiben Sie bei sich, auch wenn etwas in Ihnen sich so stark nach „Außen“ und weg von Ihnen selbst orientiert.


Die Präsenzsprache ist dafür natürlich zusätzlich hilfreich, z.B. indem Sie es artikulieren und fassen können als „Ich nehme etwas in mir wahr, das immer darauf achtet: wie geht es dem Anderen?“ oder „Ich spüre etwas in mir, das sagt: Wenn du nicht ganz und gar nur auf sie achtest, dann wird sie ungehalten werden.“ Wenn Sie die Präsenzsprache nicht so gerne mögen, dann können Sie diesen Prozess natürlich auch anders fassen, z.B. „Jetzt zieht es mich wieder dorthin … und das fühlt sich an, als ob ich nur dafür da bin, dass es ihr gut geht … und wenn ich das so höre, dann regt sich da Wut und Ärger.“


Focusing-Tandem

Im Focusing-Tandem finden Sie die idealen Bedingungen, sich zu studieren. Sie können im Detail aussprechen und beschreiben, was tatsächlich in Ihnen passiert. Im Alltag geht das dagegen normalerweise alles viel zu schnell.


Wenn Sie diesen ersten Schritt getan haben, das Beschreiben und Bei-sich-bleiben WÄHREND es passiert, dann stehen Ihnen alle weiteren Schritte des Inner Relationship Focusing zur Verfügung, um langsam und stetig zu einem Leben zu finden, in dem Sie selbst deutlich mehr vorkommen.

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