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Tipps & Tricks Nr. 47 – Wie finde ich ein neues Verhalten?

Jemand stellt folgende Frage:


„Wenn ich meine Schwester besuche, dann ist es so, als ob wir beide in alten Rollen verhaftet sind. Wir kommen in keinen guten Austausch, und es ist ein Krampf. Ich habe das Gefühl, dass ich dann emotional überhaupt nicht mitkomme – und es ist schwierig für mich, überhaupt ein Verhalten zu finden; ein Verhalten, mit dem ich zufrieden bin und das nicht so ist wie immer. Mir ist jetzt nicht klar, ob und wie dies mit Focusing zusammenhängt und ob ich damit überhaupt im Focusing arbeiten kann?“


Vielen Dank für diese Frage. Sie beschreiben die Schwierigkeit, in einer laufenden Situation ein neues Verhalten zu finden, mit dem Sie zufrieden sind. Sie merken, wie unzufriedenstellend ihr altes Verhalten ist – wie geht es nun, damit im Focusing zu arbeiten?


Die Schwierigkeit, Neues im Alten zu finden

Der Felt Sense einer gesamten Situation beinhaltet natürlich auch Ihr Verhalten; wie Sie sich bewegen, was Sie wie sagen, wie Sie nachfragen, wie Sie schauen, Ihre Intention … Im Spüren bemerken Sie, was nicht mehr passend ist: Sie bemerken, dass Sie mit sich selbst in dieser Situation nicht mehr auf dem Laufenden sind.


In diesem Alten, jetzt Unpassendem, ist ein Wissen darüber enthalten, wie es anders und passender sein könnte. Dieses Wissen wird aber leider nicht oft in klar verständlichen Häppchen serviert, sondern in ersten (oft vagen) Ideen, die dann weiter verfeinert werden. Nur: Wie könnte solch eine Annäherung an etwas Neues konkret aussehen?


Im Felt Sense: Was möchte getan und gesagt werden?

Eine Möglichkeit, dich ich gerne mag, funktioniert folgendermaßen: Verbinden Sie sich in der Situation ganz bewusst mit Ihrem körperlichen Spüren. Sie stellen sich vor, dass Sie sich in einem Felt Sense befinden, der Sie umgibt. Ihr Felt Sense der Situation IST die Situation; Sie spüren mithilfe Ihres Körpers: Wie ist diese Situation jetzt? Was entsteht, neben all den automatischen Reaktionen (die evtl auch ablaufen)? Was nehmen Sie wirklich als wichtig wahr und was möchte gesagt oder getan werden? Was ist jetzt konkret möglich oder nicht möglich?


Jedes Mal, wenn Sie in eine Reaktion kommen, nehmen Sie sich Zeit wahrzunehmen und innezuhalten. Denn alte Reaktionen haben ja zur Folge, dass Sie schneller werden im Verhalten: Zack, und Sie haben verbal zugeschlagen. Durch die bewusste Wahrnehmung im Körper können Sie sich etwas verlangsamen, bei sich bleiben, und warten, ob es andere Möglichkeiten gibt, die MEHR dem entsprechen, was Ihr Körper als „zufriedenstellenden“ fühlen würde.


Ich kenne es zum Beispiel, dass in einem solchen Zustand überraschenderweise Dankbarkeit oder Freude aufkommt. Oder ein Thema, dass ich schon IMMER mit dieser Person besprechen wollte. Oder, noch schöner, dass mein Gegenüber mit etwas völlig Neuem anfängt. Dann können Sie sicher sein, dass Sie auf der richtigen Fährte sind.


Ein neues Verhalten, kein Verhaltensrezept

Sie werden wahrscheinlich feststellen, dass Sie, wenn Sie sich SO verhalten, viel weniger sprechen. Sie werden gleichzeitig viel mehr bei sich bleiben. Es wird vielleicht erst einmal deutliche Ratlosigkeit geben, aber – wenn es gut läuft – auch ein verbindendes Gefühl, eine Art stille Basis, von der aus etwas Neues entstehen kann, von beiden Seiten.


Solch ein spürendes, tastendes Verhalten, dass offen und interessiert ist, IST an sich schon ein neues Verhalten. Es ist kein Rezept im Sinne „so muss ich mich verhalten und alles wird gut“, aber eine Möglichkeit, gegenseitigen Respekt im Bei-Sich-Bleiben zu fördern. Wer weiß, was von dieser (scheinbar so einfachen) Basis aus möglich wird.

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