Jemand stellt folgende Frage:
„Im Focusing erlebe ich öfters ängstliche Anteile, die scheinbar Zuwendung von mir brauchen. Sie wirken so klein und empfindlich. Ich habe mir dann auch angewöhnt, im Focusing immer nur zu fragen: „Was braucht ihr denn?“. Ich dachte lange, dass dies im Focusing immer so gemacht wird. Jetzt bekomme ich aber den Eindruck, dass ich diese Teile in mir durch das ständige, besorgte Nachfragen und Beschützen viel kleiner mache, als sie eigentlich sind. Ich kenne das auch aus meinem Alltag, wenn andere mich so behandeln – das ist nicht auszuhalten! Jetzt suche ich nach Alternativen: Wie könnte ich einen anderen Zugang finden?“
Vielen Dank für diese Frage. Sie beschreiben, wie Sie anfangen, etwas in Ihnen in einem neuen Licht zu sehen. Anstatt der automatischen, besorgten Nachfrage rückt ein neuer Zugang zu den (scheinbar) ängstlichen Teilen in den Mittelpunkt; und die Frage: Wie kann ich diesen gestalten und leben?
Was vermittle ich im Zuhören?
Sie schreiben, dass Sie „immer nur“ fragen, was die ängstlichen Teile „brauchen“. Kein Wunder, dass mit der Zeit der Eindruck entsteht, dass diese Aspekte klein sind. Stellen Sie sich vor, die Menschen um Sie herum würden – mit sorgenvollem Blick und Ton – „immer nur“ fragen „Was brauchst du denn jetzt, meine Liebe?“. Mit Fragen dieser Art vermittle ich, bei entsprechendem Tonfall, auf die Dauer: „Du kannst nicht selbst für dich sorgen.“, „Du brauchst meine Hilfe.“, „Du bist arm dran.“, „Ich höre dir nicht zu.“
Was würde wohl passieren, wenn zum ersten Mal jemand auf Sie zukommt und sagt: „Was ist eigentlich DEINE Meinung?“ oder „Ich bin interessiert daran, was DU dazu denkst.“ oder „Wie stellst DU dir das vor?“ oder „Wie möchtest DU dies gerne entwickeln?“ – Mit Fragen dieser Art würde ich vermitteln: „Ich nehme dich ernst. Du kannst so sein wie du bist. Ich bin gespannt, was du sagt.“
Beide Herangehensweisen sind, wenn sie angemessen angewendet werden, wichtig. Über die Zeit habe ich gelernt, dass es leicht passieren kann, dass das „sorgenvolle“ Zuhören („was brauchst du?“) überwiegen kann. Dann fehlt die vorwärtsgerichtete und selbstbestimmte Seite, die auch immer da ist.
Einen anderen Zugang finden
Um einen anderen Zugang zu finden, können Sie überlegen, was Sie normalerweise im Zuhören vermitteln. Sie beschreiben ein sorgenvolles Zuhören, das den Teilen eher dabei hilft, sich klein und abhängig zu fühlen. Probieren Sie also aus, vielleicht erst auf einem Blatt Papier, ein Gegenstück dazu zu finden. Hier sind einige Beispiele, die ich von verschiedenen Klienten gelernt habe:
Ich nehme dich ernst
Ich möchte etwas von dir lernen
Ich weiß nicht, was du mir mitteilen möchtest – mich interessiert das sehr
Ich möchte dabei sein, wenn du etwas formulierst oder ausdrückst was dir wichtig ist
Ich bin neugierig, was du mir zeigen möchtest
Ich freue mich auf deinen Beitrag hierzu
Ich würde gerne hören, wie du dies mitgestalten möchtest