Widerstand ist ein Wort, das ich in der Begleitung von Focusing-Sitzungen häufig höre. Es wird oft als ein Unwohlsein beschrieben: Bis hierhin und nicht weiter. Im Alltag führt es dann häufig dazu, zu zögern, abzudriften, auszuweichen oder zu kritisieren. Wie aber ist es möglich, Widerstände anders zu sehen - und davon zu lernen?
Sobald ich etwas in mir als Widerstand bezeichne ist meine Fähigkeit, diesem Anteil von mir offen zu begegnen stark eingeschränkt. Denn wer möchte sich schon als „Widerstand“ bezeichnen lassen? Oder anders gesagt: Was für eine Haltung demonstriere ich, wenn ich etwas in mir als „Widerstand“ sehe?
Alte Vorstellung und Druck
Aller Wahrscheinlichkeit bin ich identifiziert mit einer bestimmten Vorstellung, gepaart mit dem Druck, dieser Vorstellung zu entsprechen. Diese Art Vorstellungen entspringen meist einer früheren Erfahrung, in der die Vorgehensweise oder Strategie gut funktioniert hat.
Beispiel: Ich bin es gewohnt, als Angestellter von morgens um 8 am Schreibtisch zu sitzen. Ich bin es gewohnt, Teil einer größeren Firma zu sein. Jetzt mache ich mich selbstständig und versuche erst einmal das gleiche. Ich sitze ab 8 Uhr morgens am Schreibtisch … bin aber mein eigener Herr … und in einer vollkommen neuen Situation; und erlebe (natürlich) „Widerstände“.
Widerstand ist die Reaktion auf den Druck
Identifiziere ich mich in einer jetzt veränderten Situation mit der alten Vorstellung und dem Druck, es wieder genauso zu machen, dann ist es kein Wunder, dass ich Widerstand erlebe. Da ich die neue Situation noch nicht voll verstehe, versuche ich, den Widerstand zu durchbrechen. Ich fange an, mich zu managen – und mich schlecht zu fühlen.
Die neue Situation verstehen lernen
Etwas in dieser neuen Situation stimmt nicht. Ich verstehe sie noch nicht, und daraus resultiert: Ich möchte etwas tun UND es gibt Widerstand dagegen.
Im Focusing versuche ich, die neue Situation und damit den „Widerstand“ zu verstehen und vor allem: von diesem zu lernen. Dazu verändere ich erst einmal meine Haltung und damit auch meine Sprache.
Etwas in mir, das nicht einverstanden ist
Anstatt zu sagen „Ich bin im Widerstand“ kann ich sagen „Ich spüre etwas in mir, das nicht einverstanden ist.“ Und: „Ich spüre etwas anderes in mir, dass Druck macht und es ‚Widerstand‘ nennt.“
Natürlich geht es darum, auch mit dem Aspekt Zeit zu verbringen, der Druck macht und ungeduldig ist; der eine klare Vorstellung hat. In diesem Tipp möchte ich mich aber auf den anderen Teil konzentrieren, also der Teil der nicht einverstanden ist.
Lernen im tiefen Kontakt
Sobald ich also im tiefen Kontakt mit diesem Aspekt bin (wie das geht lernen Sie im Focusing Einsteigerpaket) kann ich anfangen, von dem „Widerstand“ zu lernen, indem ich verschiedene Einladungen ausspreche.
Beispiele (hier der Einfachheit halber noch in Frageform, nicht als Einladung):
Gibt es etwas, was du mir mitteilen möchtest in Bezug auf _____________ (das Thema, mit dem es nicht einverstanden ist)?
Wenn du nicht einverstanden bist mit ______________, WIE GENAU würde es für dich stimmig sein?
Gibt es etwas, was dir wichtig ist an der Art und Weise, WIE ich _________________?
Gibt es eine Vorgehensweise, die stimmiger für dich wäre?
Was GENAU fehlt dir?
Was GENAU ist nicht stimmig für dich?
Mit was GENAU bist du nicht einverstanden?
Es ist wichtig, diese Fragen als Einladungen zu formulieren, um zu verhindern, dass Druck entsteht (und als Folge dessen wiederum angepasste Antworten entstehen). Im tiefen Dialog ist es essentiell, dass Sie viel Zeit lassen, um wirklich im Körper zu spüren, was stimmig ist.