Wer gelernt hat, sich die meiste Zeit den Bedürfnissen Anderer anzupassen, für den sind Focusing-Sitzungen gern einmal eine Reise ins Unbekannte. Nach und nach ist es möglich aufzutauchen aus dem, was „sollte“ und „müsste“ … und eigentlich nie wirklich passte.
Zuerst ist da der Frust. Die Erkenntnis, dass weiteres Anpassen an die Bedürfnisse Anderer nicht mehr funktioniert. Vielmehr ist „etwas“ aufgetaucht, das nicht mehr mitspielen möchte oder so nicht mehr funktionieren kann. Etwas stimmt nicht mehr, fühlt sich niedergeschlagen oder fehl am Platz.
Gleichzeitig fehlt die Erfahrung mit sich selbst. An diesem Punkt weiß ich wenig über mich. Ich spüre nur, wie erschöpfend ständige Anpassung sein kann – und das Ignorieren der eigenen Wünsche und wichtigen Schritte. Etwas sagt: Du brauchst Zeit für dich selbst!
Experte werden
Dieses Unbekannte ist eine Einladung, sich selbst besser kennen zu lernen. Ich kenne ja hauptsächlich die Wünsche der Anderen.
Ich weiß: So gehen die Anderen mit ihren Gefühlen um. So setzen die Anderen Ihre Grenzen. So kommunizieren Andere. Dies ist Anderen wichtig. Dies erwarten Andere von mir. Diese Rolle soll ich spielen.
So bin ich im Moment
Focusing dagegen ist ein Raum, in dem ich entdecken kann, was in mir wichtig ist. Über die Zeit kann ich herausfinden: Genau so bin ich im Moment. Und ich bin offen, wie sich dies entwickelt und verändert.
Ich kann dann sagen: So gehe ich mit meinen Gefühlen um. So höre ich mir zu. So setze ich meine Grenzen. So sorge ich für mich. Dies sind meine Bedürfnisse. So verhandle ich für mich in Beziehungen. Das ist mir wichtig.
Ich bin nicht festgelegt
Bin ich Experte meiner selbst, dann erkenne ich, wann ich frei bin oder ob ich auf bestimmte Auslöser reagiere. Ich kann bestimmen, wann ich mich auf eine bestimmte Rolle einlasse; wann ich ein bestimmtes Thema ansprechen möchte.
Ich kenne mich dann so weit es geht; und ich bin mir bewusst, dass ich niemals alles weiß und auch nicht auf das festgelegt bin, was ich schon kenne: So kann ich mich immer neu kennenlernen.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Anstatt erschöpft und genervt zu sein fange ich an, mich zu finden und zu klären, was ich denke und fühle und wie ich handeln möchte. Das ist so angenehm; und wie schön: So kann ich auf einmal auch ein lebendiges und echtes Gegenüber für Andere sein.