Wenn Sie Focusing mit einer zu weit gefassten Fragestellung („ich will zufriedener sein“, „alles muss gut werden“, „ich muss den richtigen Partner finden“, „ich muss besser kommunizieren lernen“) probieren, dann kann es sein, dass Sie sich einfach im Kreis drehen. Stattdessen kann es sehr hilfreich sein, dass Sie Ihr Thema so weit konkretisieren, dass Sie tatsächlich konkrete neue Schritte finden können.
Der Trick dabei ist, dass jede konkrete Situation eine Variation Ihres Grundthemas ist, nur mit einem entscheidenden Unterschied: Je konkreter die Situation, desto besser können Sie sie fühlen. Und je besser Sie fühlen können, was in einer konkreten Situation passiert, desto leichter ist es zu verstehen, was dies für Sie bedeutet. Je klarer Ihnen wird, was es Ihnen bedeutet, desto leichter können Sie sehen, was Sie brauchen.
Ein prägnantes Beispiel finden
Wie gehen Sie am besten vor? Mein Vorschlag ist, eine Art kurzes Focusing vor der eigentlichen Sitzung durchzuführen, um ein möglichst prägnantes Beispiel für die Herausforderung oder Fragestellung zu finden, die Sie explorieren möchten. Seien Sie dabei so detailliert wie möglich. Machen Sie sich Notizen. Versuchen Sie, das Beispiel immer konkreter und knapper auf den Punkt zu bringen.
Das Beispiel als Einladung nutzen
Dieses Beispiel benutzen Sie nun, um es im Focusing einzuladen und zu explorieren. Was taucht dazu auf? Wie lebt es jetzt konkret in mir? Was passiert, wenn ich es einfach nur einlade, abwarte und zuhöre? Welche Kämpfe kommen zum Vorschein?
Wenn Sie richtig begleitet werden (oder sich selbst richtig begleiten), dann entstehen in Ihnen die verschiedensten Gedanken, Gefühle, Bedeutungen, Körpersensationen usw. – Sie sprechen dann nicht mehr über das Thema, sondern beschreiben wohlwollend und interessiert, halten was immer in Ihnen auftaucht.
Von einem Beispiel zu vielen
Je mehr Sie dies meistern, desto mehr wird sich dazu zeigen. Das konkrete Beispiel wird zu einem von vielen in Ihrem Leben. Mit der Zeit (oft über mehrere Sitzungen) wird mehr und mehr Verständnis entstehen, mehr Empathie und weniger Ungeduld, Ärger und Druck. Es ist wie ein Loslassen, ein Durchatmen, ein Verständnis für die eigene Geschichte und Entwicklung.
Die natürlichen Bewegungen des Prozesses
Und so weitet (Bedeutung der verschiedenen Beispiel im Leben) und verengt (konkretes Beispiel, das leicht zu fühlen ist) sich der Prozess ständig. Seien Sie also immer gespannt darauf, wann Ihr Prozess ein konkretes Beispiel benötigt um sich besser fühlen zu können - und wann es eher darum geht, ein größeres Verständnis für sich selbst zu bekommen und sozusagen durch die verschiedenen Beispiel hindurch zu schauen.
Je erfahrener Sie im Focusing sind, desto schneller und natürlicher passiert dieser Klärungsprozess übrigens. Sie fangen beispielsweise an, sich für ein unklares Gefühl in Ihrem Leben zu interessieren; es tauchen erste konkrete Situationen auf; eine konkrete Situation tritt in den Vordergrund; sie können diese Situation wirklich nachfühlen; es entsteht Verständnis und Empathie und das Interesse, mehr davon zu verstehen und weitere Beispiele aus der eigenen Geschichte kennen zu lernen; es entsteht eine grundlegende Empathie mit sich selbst und dem Grundthema, welches in all diesen Beispielen versteckt ist.
Fazit
Wenn Sie in einem zu großen Thema stecken und sich im Kreis drehen, arbeiten Sie mit konkreten Versionen, Beispielen, Situationen dieses Themas. Dies können detailliert beschriebene Begebenheiten sein, aber auch konkrete einzelne Worte, die immer wieder auftauchen. Es können konkrete Körpersensationen sein oder die Beziehung zu einer ganz bestimmten Person. Seien Sie neugierig, welches konkrete Beispiel sich Ihnen präsentiert.