Es gibt eine Erfahrung, die ich inspirierend für Beziehungen jeglicher Art finde: Wenn ich den Mut habe, einfach jemandem gegenüber zu sitzen, sich anzuschauen und erst einmal still zu sein. Wobei „still sein“ bedeutet, mein Gegenüber und „uns zusammen“ wirklich wahrzunehmen. Sich hierfür Zeit zu nehmen dauert nur ein oder zwei Atemzüge. Das Ergebnis ist eine andere, neue Art von Begegnung.
Mit meinem Sohn gelingt mir dies sehr einfach, es ist völlig natürlich. Wenn ich darüber nachdenke, so ist diese Ebene bei Kindern sehr präsent: Es ist leicht, sich gegenseitig wahrzunehmen und anzuerkennen.
Spannend wird es für mich, wenn eine Begegnung ganz neu ist und es darum geht, sich wirklich kennen zu lernen. Der stille Moment am Anfang eines Gespräch erschließt mir eine Haltung, mit der ich sage: Hier sind wir nun, ich möchte dich kennen lernen. Es ist wie eine ganz grundsätzliche Anerkennung, Zuneigung und Offenheit.
In einem Seminar an der Universität Hamburg sagte eine Professorin einmal zu uns, dass viele Menschen wie Wüstenpflanzen seien. Für mich war das damals ein beeindruckendes Bild. Bin ich eine Wüstenpflanze, dann halte ich durch und lebe, auch wenn die Umwelt karg, bedrohlich und feindlich ist. Sich gegenseitig wahrzunehmen und auf dieser ganz einfachen Ebene des „Ich bin hier“ und „Du bist hier“ anzuerkennen ist wie eine Oase in der Wüste.
Kann ich in die Wüste einer inzwischen karg oder schal gewordenen Beziehung etwas Frische, etwas Wasser, etwas Wahrnehmung, Offenheit und Anerkennung bringen? Nehmen Sie alles, was Sie im Focusing gelernt haben und wenden Sie es in diesen ersten Atemzügen einer Begegnung an; seien Sie einfach da, schauen Sie ihr Gegenüber an und atme Sie zusammen. Zuerst einmal zwei Körper, zwei Menschen; und dann alles weitere, was wir daraus machen.