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Tipps & Tricks Nr. 123 – Die Flucht meiner Großeltern nach Deutschland

In einer Focusing-Sitzung heute habe ich mit einem immer wiederkehrenden Gedanken gearbeitet und diesen bis zu meinen Großeltern verfolgen können – und DEM Ereignis meiner Herkunftsfamilie, der Flucht nach Deutschland im zweiten Weltkrieg. An der Oberfläche geht es bei diesem Gedanken darum, welchen Beruf ich ergreifen sollte, um „richtig“ und „erfolgreich“ zu sein (ich habe natürlich den falschen ;). Unter der Oberfläche toben Gefühle von Einsamkeit, Heimweh, Traurigkeit, Wut, Wertlosigkeit, Scham sowie Liebe, Lebendigkeit und Sehnsucht – und VOR ALLEM ANDEREN etwas, das mich selbst überrascht hat.


Was mich überrascht hat, war der präzise Wunsch dieser Gefühle, WIE ich mit ihnen arbeiten sollte: Es wurde deutlich, dass ich VON meinen Gefühlen her - langsam, tastend und spürend - ÜBER die Ereignisse sprechen sollte. Immer wenn ich versuchte, ausschließlich nach innen zu spüren, verloren sich Kraft und Sinnhaftigkeit des Prozesses.


Nicht mein separates Problem

Mir wurde klar, dass es um eine Art fühlendes Erzählen und Mitteilen ging; darum, die Ereignisse der Geschichte aus meiner eigenen Sicht auf eine neue Art und Weise ins Wort zu bringen.


Es ging darum, die Ereignisse nicht mehr nur als mein eigenes, separates Problem zu betrachten, für das es sich individuell zu schämen gilt, sondern über dieses einzigartige Ereignis der Flucht zu sprechen, das uns alle geprägt hat.


Ich bin Teil & Teil von mir

Es war also immer auch von der Familie die Rede, aus der ich stamme, und wie ich Teil dessen bin bzw. wie dies Teil von mir ist.


In meinem Herzen konnte ich einen Hauch der Einsamkeit und Kälte der Flucht spüren. Wie verzweifelt der Kampf ums Überleben gewesen sein muss. Wie stark das Gefühl der Wertlosigkeit, ohne Sprache und Hab und Gut in einer fremden Umgebung; in einer Gartenlaube lebend; ausgeraubt von Soldaten.


Und dann später die Erleichterung, als die Kinder „etwas“ wurden. Als sich fixierte, was „erfolgreich“ bedeutet. Ich konnte spüren, wie mein Herz sich wie „ausgewrungen“ fühlte, und eine Brutalität.


Ich ließ mir Zeit, jedes einzelne Wort der Erzählung zu spüren. Oft wie ein Stich durchs Herz, ein Aufatmen, Liebe und Sehnsucht oder ein Aufwallen von Trauer, oder andere Bilder, Erinnerungen und Vorstellungen.


Lebendiges, fühlendes Sprechen

Der Gedanke über „Erfolg“, mit dem ich arbeitete, öffnete sich also hin zu dem Wunsch, diesen Teil meiner Geschichte endlich wieder mehr zu erleben und Sinn darin zu finden; und zwar nicht nur als Geschichte, sondern als in mir lebendige, spürbare, wirksame Teile.


Vielen Dank also an diesen wiederkehrenden Gedanken über „Erfolg“ – wie sich herausgestellt hat eine Art Hilfsmittel, Zugang, ein Hinweis, mich noch einmal in der Tiefe mit dem auseinanderzusetzen, was mich unter Anderem zu dem gemacht hat, der ich jetzt bin – und dem, der nicht darin stehenbleiben möchte.

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