In einer Atmosphäre emotionaler Kälte aufzuwachsen hat viele Folgen. Die eigenen Gefühle können sich wie abgeschnitten anfühlen, z.B. die Liebe zu mir selbst und anderen, oder die Zufriedenheit mit mir selbst. Wenn ich keine Verbindung mit diesen Gefühlen habe, dann bleibt mit nichts anderes übrig, als im Außen nach Bestätigung und Trost zu suchen. Die eigenen Gefühle bleiben dadurch weiter unbeachtet, und es breiten sich Leere und Frustration aus.
In Focusing-Sitzungen kann ich anfangen, mich wieder mit meinen gefühlvollen Anteilen zu verbinden; es gibt jedoch einen inneren Schritt, der unerlässlich ist, um die eigene Lebendigkeit und die eigenen Gefühle wieder spüren zu können.
Teil von mir stellt die gleiche Atmosphäre her wie damals
Denn oft ist es so, dass ein Teil von mir die Atmosphäre, in der ich als Kind gelebt habe, übernommen hat. Etwas in mir verhält sich dann so, wie es damals war. So kann es eben kommen, dass ich mir selbst und anderen kalt und distanziert begegne. Im Inneren herrscht eine Atmosphäre der Kälte, der Unsicherheit, des fehlenden Vertrauens.
Atmosphären sind nicht leicht wahrzunehmen
Diese Kälte und Distanz ist nicht laut und direkt, sondern meist nur schwer wahrnehmbar. So kann ich mich zum Beispiel im Focusing ganz gut beschreiben, was in mir vorgeht. Vielleicht sind da Anteile in mir, die sich zurückgezogen und frustriert fühlen. Teile, die anmerken, wie viele Jahre sie schon unter der Atmosphäre von damals leiden. Anteile, die sich ängstigen oder wenig Vertrauen haben oder auf Lösungen und Ziele fixiert sind. Aspekte, die den großen Wunsch haben, endlich lieben und geliebt werden zu können.
Alles bleibt, wie es ist
Und doch bleibt alles irgendwie … kühl, technisch, distanziert. Diese Qualitäten bestimmen die Beziehung, mit der ich mir selbst begegne. Anders ausgedrückt: Ich wiederhole, was ich erlebt habe; ich wende mich nicht liebevoll zu, sondern praktiziere weiterhin Kälte und Distanz.
Der erste Schritt
Mit folgendem Schritt kann ich anfangen, mir dieser Dynamik bewusst zu werden.
Ich nehme mir Zeit wahrzunehmen, WIE ich im Moment auf ________ schaue.
Ich nehme mir Zeit zu spüren, WIE ich im Moment mit _________ im Kontakt bin.
Vielleicht kommen dann Antworten wie zum Beispiel „Wie von oben herab“, „mit kaltem Blick“, „Herzlos“, „Verharmlosend“, „Beschwichtigend“, „Zynisch“.
Diese Worte können dann als Ausgangspunkt genutzt werden, um etwas in mir – vielleicht zum ersten Mal - liebevoll zu begegnen, das diesem kritischen und verletzenden Blick ausgesetzt war.
Sobald ich zum Beispiel wahrnehme, dass die Beziehung im Moment von Verharmlosung geprägt ist, kann ich anfangen mich daraus zu befreien („Da ist etwas in mir, das ständig verharmlost“).
Später, in einem zweiten Schritt, wird dann auch die aktive Einladung einer präsenten Haltung möglich:
Vielleicht ist es möglich, __________ jetzt gerade mit Mitgefühl und Wärme zu begegnen, und zu sagen „Ich kann sehen, wie es dir geht. Ich bekomme mit, wie du dich gerade fühlst.“