Heute durfte ich miterleben, wie direkt und deutlich die positive Veränderung allein durch den Gebrauch der Präsenzsprache im Focusing sein kann. Nur die einfache Übung dieser Technik hat manchmal ungeahnte Auswirkungen. Zum Beispiel auf das Gesicht und den Gesichtsausdruck – und wie ich mich dadurch insgesamt erlebe.
Viele von Ihnen kennen das Konzept der Präsenz ja aus erster Hand aus dem Focusing-Unterricht. Als lebendige Erfahrung ist Präsenz beeindruckend: Die Fähigkeit, sich offen und interessiert allem zuwenden zu können, das in mir auftaucht. So viel Freiheit und Kraft.
Ich beschreibe im Folgenden dieses Erlebnis, das ich „Das Gesicht der Präsenz“ nenne, aus der Ich-Perspektive (auch wenn ich diesen Prozess nur begleitet habe).
Der Anfang: Frustration
Elmar fragt mich nach einem Gefühl, das ich schwer aushalten kann bzw. dem ich mich nicht gerne zuwende. Ich spüre kurz nach und mir ist klar: Es geht um meine Frustration und die Schwere und Niedergeschlagenheit, die ich öfters im Körper spüre. Wir einigen uns auf das Wort „frustriert“.
Jetzt geht es in die eigentliche Übung, die Präsenzsprache.
Als erstes wiederholt Elmar einen Satz, und meine Aufgabe ist es, die Wirkung dieses Satzes auf mich wahrzunehmen. Ich sitze mit geschlossenen Augen da und höre des Satz: „Ich bin frustriert.“ und „Ich wiederhole diesen Satz einige Male – nehmen Sie sich Zeit, nachzuspüren und die Wirkung auf sich wahrzunehmen.“
Das verschlossene Gesicht
Für mich fühlt es sich an, als ob mein Körper unangenehm schwer wird. Der ganze Körper. Es ist, als ob ich in der Schwere und Frustration lebe. Ich lebe da mitten drin. Was ich vor allem merke ist mein Gesicht: Mein ganzes Gesicht ist verschlossen. Mein Mund fühlt sich so an oder sieht so aus, als ob ich angewidert bin. Ich bin erstaunt, wie deutlich ich meinen Gesichtsausdruck wahrnehme.
Jetzt wird der zweite Satz der Präsenzsprache angekündigt. Elmar sagt: „Ein letztes Mal: Ich bin frustriert.“ Pause; dann: „Etwas in mir ist frustriert.“ Dieser Satz wird mehrmals wiederholt: „Etwas in mir ist frustriert.“ Dieser Satz ist ungewohnt und ich spüre dem nach.
Das Gesicht der Präsenz 1
Die Veränderung in meinem Körper auf diesen Satz hin ist direkt und deutlich zu spüren. Mein Körper fängt an, sich leichter zu fühlen. Vor allem aber: Ich merke, wie mein Gesicht nicht mehr so verschlossen ist. Ich fühle eine gewisse innere Distanz zwischen mir und etwas in mir, das im Moment so unglaublich frustriert ist.
Mein Gesicht verändert sich, insbesondere mein Mund, der sich entspannt und weicher wird. Ich merke außerdem, wie ich meinen gesamten Körper anders, deutlicher anfange zu spüren.
Nachdem wir diesen ersten Teil der Übung besprochen haben, geht es weiter. Elmar spricht die ersten beiden Sätze noch einmal und kommt dann zu einem dritten Satz: „Ich verbringe Zeit mit etwas in mir, das im Moment so frustriert ist.“
Das Gesicht der Präsenz 2
Dieser Satz wird mehrfach wiederholt und ich fange an zu lächeln. Mein Gesicht, mein Mund, mein Körper fängt an zu lächeln.
Ich spüre, wie ich zum ersten Mal seit langer Zeit ein wenig Mitgefühl mit mir empfinde: Da ist tatsächlich etwas in mir, das im Moment so frustriert ist; und ich bin da und kann mir Zeit für es nehmen. Es ist, als ob ich viel mehr Raum um mich herum habe.
Ich verbringe Zeit mit etwas in mir, das im Moment so frustriert ist. Es ist ein erstes, schüchternes Lächeln. Es ist einfach so aufgetaucht. Es sagt: Jetzt kann ich dich endlich wahrnehmen. Ich lächle dir zu. Es ist in Ordnung.
Mein Gesicht fühlt sich viel offener an. Das ist ungewohnt und ich merke, ich bin zufrieden – darauf habe ich gewartet, das habe ich mir gewünscht. Ich bin gespannt, wie es mit Focusing weitergeht.