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Nr. 221 - Im Körper, nicht in der Kirche



Formale Focusing-Sitzungen sind meist still, in sich gekehrt. Sie sammeln und kommen zu sich. Es entsteht ein weiter innerer Raum, der neugierig betrachtet und gefühlt werden kann.


Was aber, wenn Sie "Stillsitzen" als Zwang oder Notwendigkeit kennengelernt haben? ... "Sei jetzt still!" ... Wenn schon beim Versuch, in den Körper zu spüren, Unruhe und Druck und Stress entsteht? Wenn Stille einfach nur unangenehm ist? Wenn Stille eigentlich Verbot, Fremdbestimmung und Unterdrückung bedeutet?


Vielleicht kennen Sie diesen Druck, der in Worte gefasst sagen würde: "Ich muss jetzt etwas Interessantes sagen!", "Oh ist das peinlich, so still zu sein". Oder vielleicht: "Sitz ordentlich" und "Jetzt reiß dich zusammen" und "Nicht gähnen!" :-)


In anderen Worten: Sei nicht du selbst. Spür dich nicht. - Der Druck, nicht so sein zu dürfen, wie Sie eigentlich sind. Die Notwendigkeit, so zu tun, als ob ... um einen gewissen Schein zu wahren. Gefangen zu sein in den Vorstellungen anderer Menschen, wie Sie zu sein haben.

Viele meiner Klientinnen und Klienten (und ich selbst) kennen diese Art Druck aus der Kirche und aus der Schule; und wenn ich sehe, wie jemand im Focusing innerlich ganz steif und sich "aufrecht" drückt, so sage ich manchmal im Scherz: "Ja, und hier im Focusing bist du in deinem Körper und nicht in der Kirche." oder "Ja, und genau hier ist es nicht mehr wie in der Schule, wo du bewertet wurdest."

Meist lachen wir dann etwas zusammen, und dann ergänze ich vielleicht: "Hier im Focusing hast du die Erlaubnis so zu sein, wie du bist. Du musst nichts tun. Für niemanden. Es ist in Ordnung, einfach nur bei dir zu sein. Du musst nichts produzieren. Du darfst dich bewegen, wann immer du möchtest; oder gähnen und seufzen. Du kannst auch aufstehen, dich strecken oder herumgehen. Du spürst, was für dich in diesem Moment richtig ist."

Letztlich ist dies die wichtigste Lektion im Focusing: Du bist frei du selbst zu sein; und weil du frei bist kannst du alles in dir wahrnehmen, so wie es jetzt gerade ist. Es gibt keine Tabus in der inneren Wahrnehmung; und es gibt keine Zwänge, in einer gewissen Art und Weise sein zu müssen.

Und deshalb spüren Sie mit der Zeit mehr und mehr, was für Sie richtig und passend ist - und was nicht mehr passend ist. So entsteht fundamentales Vertrauen. Und so wird es möglich, sich dort im Leben wieder zu öffnen und zuzuwenden, wo es passt ... und neue Schritte zu wagen; und sich natürlich dort im Leben abzuwenden, wo es im Moment nicht mehr weitergehen möchte.



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