Hantieren wir mit althergebrachten Kategorien im Focusing, so kann dies leicht in eine Sackgasse führen. So zum Beispiel die feste Überzeugung, etwas sei ‘nur‘ ein Gedanke. „Da ist nichts, nur schon wieder so ein blöder Gedanke.“ würde ich dann vielleicht in einer Sitzung hören, und implizit: „Eigentlich sollte da doch etwas anderes sein“, namentlich meist ein ‘Gefühl‘; und schon bewegen wir uns auf dem nicht aus der Mode kommen wollenden Grat zwischen Gedanken und Gefühlen, obwohl diese Trennung für die Arbeit im Focusing nicht nur unbedeutend, sondern auch hinderlich ist.
Ja, es mag relativ einsilbig, eng erscheinende Erlebensweisen geben, wie zum Beispiel einen sich wiederholenden Gedanken, oder einen scheinbar nebensächlichen Gedanken.
Gehe ich jedoch in einer bestimmten Art und Weise mit solch einem Gedanken um, so wird der Fluss der Informationen schnell breiter und breiter. Aus dem ‚nur ein Gedanke‘ entspringt bei diesem Vorgehen schnell Neues, Erweiterndes, Vervollständigendes, Erhellendes und Überraschendes.
Dies können zum Beispiel Erinnerungen sein, die in mir auftauchen, Gefühle aus einer bestimmten Situation, eine spürbare Veränderung in meinem Körper, eine subtile Stimmung, usw. – Dinge, die mir klar machen: Der Gedanke, der eben ‘nur‘ da war, war einfach ein Ausgangspunkt, ein Tor oder eine Quelle für all das, was sich in mir mitteilen wollte.
Dieser anfängliche Gedanke brauchte meine volle Aufmerksamkeit, denn es ist so leicht, etwas zu übersehen und zu überhören, wenn ich in starre Kategorien unterteile. Lasse ich also ab von der Erwartung, mein Erleben in diesem Moment müsse anders sein als ‘nur‘ der Gedanke, der da ist, so kann etwas entstehen und wachsen.
Die Abwertung, die in dem Wörtchen ‘nur‘ steckt, lässt mich in der Begleitung von Einzelsitzungen regelmäßig aufhorchen. Es ist für mich ein Zeichen, gemeinsam neugierig zu werden.
Was ist es, was sich hier zeigen möchte? Regelmäßig bin ich Zeuge dessen, dass hinter einem scheinbar unbedeutenden, trockenen, nichtssagenden, langweiligen, unproduktiven ‚Gedanken‘ genau das steckt, was gesucht wird: Ein lebendiger Zugang zum eigenen Spürraum, und zu den eigenen Themen.
Nicht in der Trennschärfe der Kategorien liegt in meiner Erfahrung ein Weiterkommen, sondern darin, diese Kategorien geschickt zu hantieren; denn einerseits brauche ich sie, um mich anzufangen zu verstehen; andererseits ist es unabdinglich, mich von ihnen zu lösen, um zu der eigenen Lebendigkeit zu kommen, nach der ich mich sehne.
Helfe ich also jemandem, den ich im Focusing begleite, einen Gedanken als lebendigen Ausdruck und Quelle von Neuem zu untersuchen (anstatt der Kategorisierung und oft gleichzeitigen Trennung und Abwertung zu folgen), so helfe ich dieser Person, sich selbst zu begegnen.
Es entsteht Fülle an der Stelle, an der vorher ‘nur‘ ein Gedanke saß und sich wiederholte und wiederholte; und am Ende bin ich versöhnt mit der Kategorie des Gedanken, denn ich habe gelernt, ein Gedanke ist so viel mehr als ‘nur‘ das; und ich kann den Weg dorthin zeigen, anstatt eingeschüchtert zu sein und eine der vielen Abwertungen zu übernehmen, denen Gedanken so gerne ausgesetzt sind.
Was für ein schöner Moment also, wenn ich am Anfang einer Sitzung einlade zu spüren, was sich zeigt und mein Gegenüber sagt: „Da ist nur so ein Gedanke!“