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Nr. 170 – Was Gefühle wirklich brauchen

In Focusing-Sitzungen geht es immer auch um Gefühle. Sobald Gefühle auftauchen, ist es einerseits verführerisch, in sie hineinzufallen. Sie fühlen sich dann „wahr“ und „richtig“ an, manchmal auch als ob diese so „für immer“ existierten. Sie bestimmen dann, wo es lang geht – und in welche Richtung gedacht wird. Eine andere Möglichkeit ist, den Gefühlen abwertend und analytisch zu begegnen: Nur wenn ich rational „weiß“, wozu dieses Gefühl da ist, dann kann ich es „benutzen“ (zum Beispiel um ein Bedürfnis zu erkennen). Was Gefühle wirklich brauchen, das haben wir in beiden Fällen noch nicht verstanden.


Gefühle, die immer wiederkehren, haben die Erfahrung, dass niemand da ist, der sie aushalten kann, mit ihnen Zeit verbringen mag, sie kennenlernen möchte. Sie kennen niemanden, der oder die souverän mit ihnen umgehen kann.


Stattdessen erleben sie tagtäglich, wie sie auf die gleiche Art und Weise gesehen und bewertet werden – und wie Unsicherheit und Unvermögen im Umgang mit ihnen vorherrscht.


Die Gefühle landen aus gelernter Unkenntnis im Umgang mit ihnen in der immer gleichen Box – und werden so auf die immer gleiche Form reduziert: Schmerzhaft zu sein. Schwierigkeiten zu bereiten. Ohne Lösungsmöglichkeit, hilflos, dazustehen.


Eine meiner ersten Lektionen im Focusing ist daher:

  • Sie sind nicht Opfer Ihrer Gefühle. Gefühle sind keine inneren Feinde.

  • In einem ersten Schritt geht es darum, Gefühlen stattdessen einen echten Raum anzubieten, in dem diese sich formen und ausdrücken können.

  • Gefühle brauchen es nicht, analysiert und zu Erkenntnissen genutzt zu werden.

  • Freiheit von automatischen Gefühlsreaktionen und ihren Konsequenzen erreichen Sie dadurch, dass Sie sich Gefühlen tatsächlich zuwenden, sodass diese sich richtig beschrieben und gehört fühlen und so zu Ihrem Leben beitragen dürfen.

Über die Zeit lerne ich so: Nicht die Gefühle sind das eigentliche Problem. Vielmehr hatten und haben meine Gefühle ein Problem, dass mit Ihnen kein Kennenlernen und kein Austausch stattfindet.


Bin ich motiviert und lerne schrittweise, mit meinen Gefühlen zu interagieren und mich für sie zu interessieren, dann haben diese die Chance, beizutragen. Meine Gefühle können sich von einer völlig anderen Seite zeigen, einfach als lebendige Fülle und subtile Vielfalt – mit der zusammen ich im Detail wachsen kann.

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