Am vergangenen Wochenende habe ich einen Einführungskurs am Zentrum für Meditation und Achtsamkeit in Holzkirchen, dem Benediktushof, gegeben. Eines der wichtigen Merkmale dieses Seminarzentrums ist die Stille und das Schweigen. Im Focusing konnte ich wahrnehmen, was dies für mich und diese Arbeit allgemein bedeutet – und wie berührend und motivierend es ist, die Stille als den Grund für einen lebendigen inneren Dialog so deutlich zu erleben.
Die Stille zeigte sich in dieser Sitzung in Form von dicken, alten Mauern; aber nicht sofort. Im ersten Moment war mir nicht klar, was da in mir auftauchte. Zuerst war da nur ein Kuddelmuddel verschiedener Bilder und Gedanken.
Offenheit für Unbekanntes und Verwirrendes
Ich musst mich erst darauf einlassen, dass scheinbar zufällig Bilder von Steinen und Mauern und fühlbare Oberflächen auftauchten, genau wie die alten Mauern des Klosters.
Diese Phase des Nicht-Wissens ist ein Kennzeichen von Focusing: Mich interessiert in dieser Phase nicht, zu wiederholen was ich schon kenne; stattdessen bin ich offen für Verwirrendes, Vages, Unzusammenhängendes, Unbekanntes, Neues.
Etwas formt sich
Mit der Zeit formten sich dann daraus die alten Steine um mich herum, eng am Körper liegend – Steine mit einer langen Geschichte, voll mit Stille und mit Wurzeln in der Landschaft.
Es ging in dieser Sitzung nicht um die Lösung eines Problems oder die Erreichung eines Ziels, sondern um die Wiedererkenntnis und -belebung einer Qualität im Leben; etwas in mir, dass sich durch die praktizierte, fühlbare Stille an diesem Ort deutlicher zu erkennen geben wollte.
Das vollständige Gefühl
Am klarsten erlebbar wurde dies in dem Moment, als ich die Mauern im Innern riechen konnte. Ich konnte sagen: „Hmm, ich kann die Mauern riechen. Sie duften nach …“ und als ich den Duft der Mauern in Worte fassen konnte, da wurden sie wirklich lebendig in mir.
Technisch könnte ich dies ein vollständiges Gefühl nennen, etwas in mir, dass ich sehen, hören, denken, schmecken, riechen, tasten … kann. Nicht nur ein grober und unverstandener Begriff, sondern ein subtiles, lebendes Gefühl, das etwas bedeutet.
Lebendigkeit
In diesem Fall: Feste, durchscheinende, strahlende Substanz. Lebendige Steine. Etwas, das ich gleichzeitig atmen kann und das mich gleichzeitig schützt und mir Boden gibt.
Etwas, eine Qualität, von der ich weiß, dass ich es in meinem Alltag vermisse. Etwas, von dem Schritt für Schritt Mehr in mein Leben kommen möchte. Etwas, für das ich Verantwortung übernehmen möchte.
Etwas Wichtiges, das ich in diesem Moment daran erkenne, dass ich aufhorche: Das ist neu. Das ist interessant. Das ist nicht die alte Leier.
Worte bedeuten etwas
Zum Schluss gab es auch einen trockenen Kommentar aus der Gruppe: „Für mich ist das wie eingemauert!“. Und ja, das glaube ich gerne; Worte sind nur Zeiger auf das, was in uns ist; und „Steine“ bedeuten für jeden und jede etwas Anderes, je nachdem wie wir sie erleben und was gerade wichtig ist.
Die Arbeit mit Gefühlen ist etwas, das sowohl mich als auch meine Gefühle wandelt: Ein lebendiges Miteinander entsteht nur mit der Zeit – und was ich in mir erlebe ist immer auch ein Spiegel meiner (veränderten) Sichtweisen.