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Tipps & Tricks Nr. 88 – Alles was wir über euch wissen ist falsch

Während der Weihnachtsferien hatte ich Gelegenheit, einige Filme mit meinem Sohn anzuschauen. Der absolute Hit war „Drachenzähmen leicht gemacht“, die Geschichte eines Wikingerjungen, der ganz anders ist als alle anderen. Neben der Action macht den Film so interessant, dass der Junge herausfindet, dass alles, was die Erwachsenen über Drachen wissen, falsch ist. Was hat das mit Focusing zu tun?


Der Wikingerjunge, Hicks, wohnt in einem Dorf, in dem sich alles um die Bekämpfung von Drachen dreht. Das Leben dort ist davon bestimmt. Wer Drachen tötet bekommt Status und Ansehen. Drachen gelten als Kreaturen, die nur darauf aus sind, zu töten.


Hicks möchte gerne dazugehören, bekommt aber nur zu hören „Was machst du hier draußen? Du sollst reingehen!“ – während er findet, dass es „1000 mal cooler“ ist gegen Drachen zu kämpfen als nur Drinnen zu sein und auszuhelfen. Er möchte, was er nicht kann.


Als es ihm dann gelingt, einen der gefährlichsten Drachen (den Nachtschatten) mit einer selbst gebauten Maschine zum Absturz zu bringen, glaubt ihm keiner. Er fängt an, den vermutlich verletzten Drachen zu suchen und findet ihn schließlich, hilflos eingewickelt in das Abfangnetz.


Hicks zückst sein Messer und sagt zu dem Drachen „Jetzt bring ich dich um, Drache. […] Ich bin ein Wikinger. Ich bin ein Wikinger!“, aber er bringt es nicht übers Herz. Später schildert er, wie er in den Augen des Drachens dessen Angst sehen konnte und darin sich selbst erkannte. In diesem Moment läuft alles über den Blickkontakt von Hicks und dem Drachen ab; es entsteht zum ersten Mal ein echter Kontakt zwischen einem Menschen und einem Drachen.


Hicks erkennt, dass er nicht töten kann; und er beginnt den Drachen von seinen Fesseln zu befreien. Kaum befreit springt der Drache ihn an und fixiert ihn auf dem Boden; er schaut Hicks direkt ins Gesicht, brüllt ihn dann nach einer kleinen Ewigkeit der Angst lauthals an und flüchtet. Er lässt Hicks leben, genauso wie Hicks ihn hat leben lassen.


Langsam entsteht eine Beziehung zwischen Hicks und dem Drachen, den er Ohnezahn nennt. Er lernt von ihm, was Drachen mögen und wovor Drachen Angst haben. Und er darf auf Ohnezahn reiten, weil dieser dadurch trotz der Verletzungen, die er sich durch den Absturz zugezogen hatte, fliegen kann. Hicks erkennt: „Alles, was wir über euch wissen, ist falsch.“


Beide, Hicks und der Drache, sind aufeinander angewiesen. Es entsteht eine tiefe Beziehung, eine Freundschaft, die alle Regeln der Kultur in Hicks‘ Dorf bricht. „Der Krieg unserer Eltern“, wie Hicks‘ spätere Freundin sagt, ist vorbei – und zwar ohne sich nur auf die eine oder die andere Seite schlagen zu müssen. Nach vielen dramatischen Ereignissen lernen auch die anderen Wikinger, friedlich mit Drachen zusammenzuleben.


Bezogen auf innere Prozesse im Focusing habe ich die Drachen zuerst als die sog. „inneren Kritiker“ gesehen; die Prozesse, für die es selbst im Focusing zu einer bestimmten Zeit nur die Idee des „Bekämpfens“ gab.


Letztlich können Drachen aber alles sein, was ich in mir, bewusst oder unbewusst und in welcher Art auch immer, bekämpfe. Das können Gefühle sein, Erkenntnisse, Annahmen, meine Wahrheiten, Schwächen, Stärken, Ängste, Wünsche, Hoffnungen.


Hicks war hauptsächlich offen und neugierig. Auch wenn er unbedingt dazugehören wollte und ihm viel „Du musst“ und „Du sollst“ entgegenkam … er bemerkte, was ihm nicht möglich war und entwickelte, was ihm möglich ist. Er war an einer neuen Perspektive interessiert, einfach weil alles andere nicht funktionierte.


Die Frage lautet also: „Wenn ich mir vorlege, was ich über ____________ denke und was ich für notwendig befinde, damit ____________ (es mir besser geht) – kann ich mir vorstellen, dass alles was ich darüber weiß tatsächlich falsch ist?“; und dass es anstatt ums Bekämpfen darum geht, eine andere Perspektive einzunehmen?

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