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Nr. 198 – Virtuelle Wunder

Seit Mittwoch sind in Dänemark, wo ich seit Jahren lebe, alle Schulen und Universitäten geschlossen und die meisten öffentlich Angestellten wurden nach Hause geschickt. Viele Geschäfte haben freiwillig geschlossen, und es hagelt Absagen von allen Seiten.


Seit gestern, Freitag, sind nun auch alle Landesgrenzen geschlossen. Es wird dazu aufgerufen, solidarisch miteinander zu sein, indem wir Abstand voneinander nehmen: Um uns gegenseitig zu schützen; und vor allem um die zu schützen, die besonders gefährdet sind.


Der Aufruf zum Abstandnehmen kann unsicher und ängstlich machen. Deshalb möchte ich allen Mut machen, die noch zögerlich vor den Möglichkeiten stehen, virtuell mit Anderen in Kontakt zu kommen. Sie können diese Email als Einladung verstehen, sich dieser Möglichkeiten bewusster zu werden.


Denn trotz all der Einschränkungen im gesellschaftlichen Leben erlebe ich weiterhin täglich Wunder in der virtuellen Welt, in der ich seit meinem Umzug nach Dänemark im Jahre 2009 hauptsächlich arbeite.


Innezuhalten, sich zu sammeln, sich liebevoll wahrzunehmen und nach eigenen, neuen Wegen und Bedeutungen zu suchen ist im Skype-Telefonat ohne Video (oder am Telefon, auf Zoom, etc) genauso leicht oder schwer wie im analogen Leben. Denn es ist nicht wichtig, ob die Stimme Ihres Gegenübers durch die Luft oder elektronisch übertragen wird ...


Überlassen Sie die Möglichkeiten der virtuellen Welt nicht den Anderen oder den vermeintlich "Jungen" und "Coolen", die damit aufgewachsen sind.


Die Qualität tiefen Kontakts hängt nicht davon ab, wie viele virtuelle Kontakte Sie haben oder ob Sie die ganze Zeit mit dem Handy beschäftigt sind, sondern ob Sie sich auf diesen einen Menschen einlassen können. Es kommt darauf an, sich nicht emotional zu distanzieren, auch wenn Sie physisch distanziert sind.


Wenn Sie dies schon können oder lernen mögen, dann ist vieles möglich, nach dem Sie sich sehnen - auch und gerade unter den neuen Bedingungen, die mehr körperlichen Abstand nötig machen.


Mit Freude erinnere ich mich an die Sitzungen der letzten drei Tage seit Dänemark "heruntergefahren" wurde. Alles virtuell, und alles zutiefts berührend:

  • Die tiefen Gefühle der Dankbarkeit dem Leben gegenüber, trotz dem der Kontakt zu den Enkelkindern durch den Coronavirus gerade in Frage steht.

  • Die Lebendigkeit und Intensität des Lebens und die Liebe in den Beziehungen, auch wenn (oder gerade weil) im Moment Kontakt vermieden werden soll, um sich gegenseitig zu schützen.

  • Das Gefühl der inneren Verbindung und Fülle, wenn ein Trennungsschmerz und die dazugehörigen Tränen wirklich erlaubt und verstanden wird.

  • Die körperlich spürbare Erleichterung und Entspannung, die einem klaren Entschluss folgen.

  • Der Stolz und die Freude, neue Wege zu gehen, neue Lösungen zu finden, sich und andere zu unterstützen.

  • Die aufkeimende Erlaubnis, sich wirklich mitzuteilen und für sich einzustehen.

  • Das Gefühl der Stärke und des Selbstbewusstseins, das allein dadurch entsteht, den eigenen Körper liebevoll wahrzunehmen und die eigene Aufmerksamkeit lenken zu können.

Wie im analogen Leben:

Lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit nicht von "Informationen" fortreißen.

Halten Sie stattdessen inne.

Nehmen Sie Verantwortung für Ihre Aufmerksamkeit. Nehmen Sie sich Zeit, Ihren Körper zu spüren; Ihre Atmung.

Nehmen Sie wahr, was Sie innerlich bewegt, was Ihnen wichtig ist - und begrüßen Sie, was in Ihnen auftaucht.

Legen Sie Ihre Hände dorthin, wo Sie Unsicherheit und Angst spüren.

Nutzen Sie die Möglichkeiten für echten Kontakt und Austausch.

Bleiben Sie offen für Gefühle der Verbundenheit, der Liebe und der Fülle.

Bleiben Sie emotional miteinander verbunden.

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