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Nr. 189 – Sich von Sachfragen nicht gefangen nehmen lassen

Sachfragen lösen zu können ist wichtig, wenn es zum Beispiel größere Veränderungen in einem Team gibt, Aufgaben neu verteilt werden, gewohnte Abläufe geändert werden sollen usw. – Parallel zu all den Fragen und Anforderungen kann es aber ein Phänomen geben, das mehr hindert anstatt voranzubringen; Klienten von mir würden diesen Moment vielleicht beschreiben als „in Sachfragen gefangen zu sein“ oder „nicht weiter zu kommen mit den praktischen Fragen“ oder „unter Druck geraten, sich im Kreis drehen“. Wie kann ich mit diesem Geschehen in der Praxis umgehen, wenn ich meine Aufmerksamkeit nach innen richte? Woran merke ich, dass ich in Sachfragen gefangen bin?


In Sachfragen gefangen zu sein merken Sie daran, dass Sie tatsächlich nur noch Sachfragen im Kopf haben und die damit zusammenhängenden Gefühle als unwichtig und unpassend, ja sogar hinderlich, gesehen werden.


Meist liegt eine Art Verbot auf unangenehmen oder unklaren Gefühlen, weil es ja im Kern um die Lösung konkreter Probleme geht und unklar ist, wie Gefühle dazu beitragen können.


Es fühlt sich daher richtig und gültig an, sich ausschließlich mit den anstehenden, praktischen Fragen zu beschäftigen; und wahrscheinlich drängt auch die Zeit.


„Ausschließlich“ und „nur“

Der Unterschied, ob Sie sich gefangen oder frei fühlen, liegt in den Worten „ausschließlich“ und „nur“. Sobald Sie „nur“ und „ausschließlich“ eine Ebene Ihres Erlebens anschauen dürfen („rein sachlich“) sind Sie automatisch gefangen; in diesem Fall gefangen in den Sachfragen.


Wenn Sie sich aber gefangen und unter Druck gesetzt fühlen bzw. Sie zu wenig Ergebnissen kommen und sich im Kreise drehen, dann ist dies ein Zeichen dafür, dass es Zeit sein könnte, mehr als das rein Sachliche einzuladen.


Mehr als …

In diesem Ansatz geht es darum, dass Sie die (noch) nicht gelösten Sachfragen auf eine neue Art und Weise in sich entstehen lassen und mit neuem, weiterem Blick anschauen.


Anstatt gleich auf Lösungen hinzuarbeiten geht es in diesem Moment darum, die Fragen und Probleme einfach auftauchen zu lassen, und diese so zu beschreiben, wie sie tatsächlich (fühlbar) sind - und anschließend auch so zu lassen.


Es geht also nicht darum, sich „zu entspannen“ oder einen anderen Trick einzusetzen, um zu einer Lösung zu kommen; vielmehr geht es um die Würdigung der Schwierigkeiten, so wie sie tatsächlich in Ihnen vorkommen und lebendig sind.


Phase 1 – Alles auf den Tisch

In dieser Phase beschreiben Sie einfach alles, was da ist. Es ist, als ob Sie alle Fragen und alle Blockaden vor sich auf den Tisch legen.


Weil wir ja in einer stillen, offenen Art und Weise beschreiben, wie all dies in Ihnen auftaucht, bemerken Sie, wie vielfältig und emotional gefärbt diese Themen tatsächlich sind.


Durch die Langsamkeit Ihrer Beschäftigung damit wird Ihr Erleben wieder räumlich und bildlich, und die ungelösten Fragen so beispielsweise zu Mauern, Gewichten, Platten, gegensätzlich wirkenden Kräften, klebrigem Morast … zu fühlbaren, lebendigen Prozessen.


Phase 2 - Stille

Wenn alles gesagt und beschrieben ist, dann entsteht oft Stille, ein Aufatmen.

Diese Stille sagt „Alles darf da sein“ und „ich muss mich jetzt nicht hetzen“, „Ich habe Zeit, diese Dinge zu schmecken, zu riechen, in mir wahrnehmen zu dürfen“.

Solch eine Stille kann auch einfach im Hintergrund auftauchen als eine Art Erkenntnis, dass alles so da sein darf, wie es jetzt gerade ist. Es ist eine Bestandsaufnahme und ein Beisammensein; eine Sammlung und Erdung, bei gleichzeitigem Interesse, mehr zu erfahren und sich überraschen zu lassen.


Phase 3 – Neues auftauchen lassen

Mit den richtigen Einladungen können jetzt neue Aspekte aus der Stille auftauchen, die Sie neugierig werden lassen.


Vielleicht wird klar, wie all die noch nicht gelösten praktischen Fragestellung an einer bestimmten Stelle zusammenhängen. „Bei all dem geht es um …“ ist dann ein beliebter Satzanfang, mithilfe dessen es auf eine neue Ebene des Verständnisses geht.


Oft produziert das stille Beisammensein aber von sich aus genug neue Einblicke, sodass Führung ganz von selbst entsteht und – meist in mehreren, kleinen Schritten – Neues, Interessanten, Überraschendes auftaucht. „Ich merke, es geht hier in Kern eigentlich um …“, „Oh, das hier hat was von …“ oder „Ha, jetzt ist da auf einmal …“ sind dann die Sätze, die ich als Begleitung höre.


Phase 4 – Würdigung

All das Neue, was um die Sachfragen herum auftaucht und diese lebendig macht, verändert und sättigt, kann nun gewürdigt werden. Ich kann in dieser Phase vielleicht sehen, wie präzise mein Körper wahrnehmen kann, dass etwas fehlte, um ein bestimmtes Problem lösen zu können


Es kann gut sein, dass in dieser Phase auch wieder mehr Zuversicht auftaucht, passende Lösungen zu finden; und natürlich die Erkenntnis, wie wichtig es ist, sich nicht zu verlieren und den Kontakt zu den eigenen Gefühlen und dem eigenen Körper immer wieder neu aufzubauen; und diesen ab und zu mit einem gemächlichen, detaillierten Vorgehen wertzuschätzen.

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