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Tipps & Tricks Nr. 128 – „Ich bin busy“: Der Versuch, eine gute Lösung für etwas ganz anders zu find

Je mehr ich mit Menschen in Leitungspositionen arbeite, desto öfter begegnet mir die Wendung des „Ich bin busy“. Nicht als Angeberei gegenüber anderen, sondern als leidvolle Erfahrung, die im Focusing angeschaut wird, um etwas Neues zu entwickeln. Das ständige Beschäftigtsein ist ein relevanter Faktor, egal ob es meine Einschätzungen, Entscheidungen, Prioritäten beeinflusst oder ob es meine Kommunikation verändert. Denn egal wie interessiert und offen jemand gegenüber einer tiefen Selbstreflektion auch sein mag, die Ebene des ständigen Tuns ist verlockend.


„Busy“ zu sein kann sich SO gut anfühlen. Was ich tue ist konkret fassbar. Es kann sich gut anfühlen, potent, aktiv, lebendig, vielleicht sogar wie ein Rausch. Die subtilen Fallen des „Ich bin busy“ sind dagegen nicht so leicht zu sehen.


Die Abwertungsfalle

Für die Focusing-Prozesse bedeutet dies: Selbstklärung, tiefes Nachdenken ist ständig in der Gefahr, entwertet zu werden, auch wenn ich dies an sich wertschätze. Denn für das Muster „busy“ zu sein gilt nur das konkrete Handeln. Das Innehalten und die innere Arbeit hat aus dieser Sicht wenig Wert.


Interessanterweise kommen die Menschen, die im Modus „busy“ stecken, genau deshalb zum Focusing: Sie wissen aus Ihrer Erfahrung genau, dass sie tiefes Nachdenken brauchen. Sie brauchen es, innezuhalten und einen weiteren Blick einzunehmen. Sie nehmen wahr, die Geschäftigkeit fühlt sich nicht nur gut an, sondern irgendwie auch unvollständig.


Sorge in der Tiefe eines antreibenden Prozesses

In den entsprechenden Focusing-Sitzungen kann ich sehen, wie einfach es ist, in folgenden, noch etwas an der Oberfläche liegenden, Gedanken gefangen zu sein:

  • Ich will schnellstens eine Lösung finden. Es muss schnell gehen und gut ankommen.

  • Ich möchte auf keinen Fall mittel- und langfristig über dieses Problem nachdenken.

  • Ich will mich einfach nur gut fühlen und gut fühlen tue ich mich, wenn ich „busy“ bin.

  • Hör auf, dich gründlich vorzubereiten. Spring einfach rein und mach etwas!

  • Es muss interessant sein! Alles andere als „tun“ ist langweilig.

Noch wichtiger sind aber die tieferliegenden Gedanken, zum Beispiel:

  • Ich habe Sorge, dass ich meine Energie und Motivation verlieren, wenn ich aufhöre „busy“ zu sein.

  • Ich habe Sorge, dass dieses ganze System, ich, zusammenbricht, wenn ich einmal aufhöre zu funktionieren.

Dies bedeutet, dass oft sogar Angst (in einem Teil von mir) herrscht vor einem so weichen Prozess wie Focusing. Es sieht aus wie Abwertung („das ist nichts wert“), doch dahinter liegen Sorgen und Ängste: Was, wenn ich mich darauf einlasse?


„Busy“: Der Versuch, eine Lösung für etwas anderes zu finden

Selbst erfahrene Focuser, die diese Art Prozesse in sich tragen, erleben immer wieder Rückschläge solcher Art. „Keine Zeit“, „Das ist nichts wert“ … und schon finden sie sich in dem erschöpfenden Kreislauf des Beschäftigtseins wieder, den sie selbst als ineffektiv und gehetzt empfinden.


Letztlich wird es in Sitzungen zu diesem Thema oft notwendig sein zu sehen, wie aus dem „Ich bin busy“ ein „Ich muss ständig busy sein“ geworden ist. Ich kann dann mit Mitgefühl und neuen Grenzen erkennen: Immer „busy“ zu sein ist der Versuch, eine Lösung für etwas anderes zu finden, das mir bis jetzt noch nicht richtig klar ist.

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