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Tipps & Tricks Nr. 124 – Miteinander sprechen und die Kunst, sich währenddessen zu spüren

Wie wäre es wunderbar, wenn es eine Art miteinander zu sprechen gäbe, die wirklich hilfreich ist und sich außerdem auch noch gut anfühlt. Was bedeutet hilfreich? Es bedeutet, dass ich während ich spreche wahrnehmen kann, was in mir vorgeht, ohne dass es darum geht Recht zu haben. Es bedeutet, wirklich interessiert daran zu sein, was gerade vor sich geht – also zuzuhören und anzuerkennen, dass es andere Sichtweisen als die meine gibt und es immer die Möglichkeit gibt, gemeinsam nach neuen Lösungen und Möglichkeiten zu suchen. Hier ein Beispiel.


Nehmen wir eine Führungskraft, die ständig mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kontakt ist bezüglich verschiedener Projekte. Manche dieser Mitarbeiter sind sehr selbständig, andere wiederum brauchen viel Anleitung und Rat. Mit einigen Mitarbeiterinnen aus der zweiten Gruppe entstehen Konflikte, deren Ursache bisher nicht richtig verstanden worden sind. Was geht da vor?


Ein mütterliches Gefühl

In einer Focusing-Sitzung bemerkt unsere Führungskraft nun ein interessantes Phänomen. Es fühlt sich so an, als ob sie ein mütterliches Gefühl zu einer der Mitarbeiterinnen hat, wenn sie mit ihr spricht. Etwas in ihr fühlt sich dieser Mitarbeiterin gegenüber wie eine Mutter. Im weiteren Verlauf dieser Sitzung bemerkt sie, wie dieser Teil tatsächlich verhindert, dass sie die Mitarbeiterin so sehen kann, wie sie wirklich ist.


Stattdessen wird klar, dass die Konflikte aus ihrem Mutter-Gefühl heraus entstehen. So wie eine Mutter in Konflikt mit ihrer Tochter kommen kann, so kam diese Führungskraft in Konflikt mit ihrer Mitarbeiterin. Gleichzeitig gab es bei ihr den Eindruck, die Mitarbeiterin sei aufgrund ihrer relativen Unerfahrenheit „schuld“ an dem Konflikt. All diese festgefahrenen Sichtweisen konnten sich nun anfangen zu bewegen.


Niemand hat Schuld

Durch das Erspüren der Beziehung und des Konflikts wurde klar, dass es nicht notwendig ist, „Schuld“ zu verteilen. Vielmehr ist es hilfreich, sich und die Situation gleichzeitig zu spüren, ohne zu urteilen oder zu kategorisieren. So ist es möglich, dass das mütterliche Gefühl einfach da sein darf (und nicht ignoriert oder entwertet werden muss), ohne automatisch in die Beziehung hinein zu wirken.


Die Entstehung von Wahlfreiheit und neuen Möglichkeiten

Durch das Spüren bekomme ich eine neue Beziehung zu den inneren Reaktionen in mir, und ich bekomme eine Art Wahlfreiheit. Ich kann mich dann fragen: „Wie möchte ich handeln?“ und „Was ist hilfreich für diese Beziehung?“ Ich brauche nicht den Teilen zu folgen, die automatisch und aus meiner Vergangenheit heraus auftauchen.


Stattdessen kann ich sie spüren, wahrnehmen und eine gute Beziehung mit ihnen finden, um im zweiten Schritt neue und überraschende Möglichkeiten des Miteinanders zu finden.


Die neue Beziehungsqualität zu dem mütterlichen Gefühl hatte übrigens auch noch weitere, positive Folgen. Es fühlte sich so gut an, mit diesem Gefühl Zeit zu verbringen und es wieder bewusst ins Leben zu holen und zu schauen: Wo und wie kann dieses Gefühl in meinem Leben hilfreich sein und dazu führen, dass ich mich wieder lebendiger und verbundener fühle?

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