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Tipps & Tricks Nr. 75 – Die Sorge, dass es niemals aufhören wird

Viele Menschen, die ich begleitet habe, erleben im Alltag – und auch in Focusing-Sitzungen – dass das Zuwenden zu einem starken Gefühl nicht funktioniert. Das Gefühl wird dann immer stärker und alles Focusing hilft nichts. Wieso ist das so?


Ein starkes Gefühl hat immer etwas Wichtiges mitzuteilen. Es hält die eigene Wahrheit über einen Teil des eigenen Lebens. Es geht dabei oftmals um eine Situation, in der ich als Kind in meinen So-sein behindert wurde. Es wäre vielleicht (lebens-)bedrohlich für mich gewesen, so zu sein, wie ich eigentlich bin. Oder ich wurde so, wie ich eigentlich bin, ignoriert; eine schmerzhafte Erfahrung.


Es ist immer so, es wird nie aufhören

Als Kind fühlt sich so eine Situation unendlich an. Genau wie die Sommerferien, die sich unendlich anfühlen – oder manchmal sogar nur ein einziger Tag. Aber wenn ich unendlich lange, IMMER, nicht so sein darf, wie ich bin - wenn ich dafür bedroht oder bestraft werde oder ignoriert – dann ist es auch unendlich wichtig, nicht so „Ich“ zu sein.

Ich lerne, wie ich wichtige Aspekte von mir radikal wegmache, abschneide, vernichte.


Das Problem ist nicht das Problem

Lerne ich in solch einem Zustand Focusing kennen, dann erlebe ich erst einmal nur das Gefühl, dass mir jetzt Probleme und Symptome bereitet; wie damals, als es nicht erwünscht und vielmehr bedrohlich war. Es scheint Angst, Wut, Erschöpfung, Stress, Panik zu machen. Es ist ein Problem. Es ist schlecht und muss wieder gut werden.


Wende ich mich in solch einem Zustand „dem Problem“ zu, dann wird es stärker werden. Denn ich habe nicht verstanden, worum es eigentlich geht.


Existenzielle Sorgen

Es gibt einen Aspekt, der das Drama am Platz hält und unwillentlich dafür sorgt, dass es immer so weitergeht. Dieser Aspekt hat große, existentielle Sorgen: „Ich spüre etwas in mir, dass sich sorgt … es sorgt sich, dass „das Problem“ NIE AUFHÖREN wird, wenn ich es zulasse. Es wird nie aufhören und immer nur schlimmer werden, wenn ich dem Raum gebe.“


„Keinen Fußbreit!“ ist also das Motto dieses Aspekts – und ich kann diesen nicht erkennen, weil ICH es bin. Ich bin mit diesem Verhalten verschmolzen, identifiziert; es ist zu meiner inneren Haltung geworden.


Allerlei Lösungsstrategien werden entworfen und durchgeführt, sich zudröhnen, sich selbst verletzen, es weg-"meditieren", sich beschäftigen, essen, trinken, "Focusing" anwenden und vor allem: Keinen Raum geben, damit „es“ nicht auftaucht und womöglich immer bleibt.


Ein Neubeginn

Der entscheidende Schritt ist es, sobald wie möglich zu erkennen, wie genau diese Sorge in mir lebt. Eine Sorge oder Angst, dass das „Problem“ nie

mals anders sein kann. Der daraus resultierende Zwang, sich NICHT zuzuwenden, dem KEINEN Raum zu geben.

Nehmen Sie sich Zeit, beide Aspekte genauer zu betrachten.


  1. Das „Problem“. Meist ist dieser Aspekt leicht aufzufinden und zu beschreiben. Aber Achtung! Meistens sind die Beschreibungen durchsetzt von negativer Bewertung oder positiver Affirmation. Erst wenn dieser Aspekt einfach so sein darf und gehört werden kann, wird sich etwas bewegen.

  2. Die Sorge, dass das „Problem“ niemals aufhören wird. Dieser Aspekt ist oft schwer zu finden, weil Sie damit verschmolzen sein können. Sie bemerken nur, wie Sie aus dem guten Kontakt mit sich herausfallen und stattdessen bewertend, ängstlich, unruhig, unzufrieden sind oder unter Druck geraten. Sich diesem Teil zuwenden zu können ist der Schlüssel, damit das „Problem“ Raum bekommt.

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