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Tipps & Tricks Nr. 60 – Meine Gefühle sind zur Gewohnheit geworden, was kann ich tun?

Jemand stellt folgende Frage:


„Ich habe mehr und mehr den Eindruck, dass meine negativen Gefühle (Ärger, Wut) schon zu einer Art Gewohnheit geworden sind; so, als ob es ihnen darum geht, einfach immer so zu bleiben wie sie sind. Auch im Focusing komme ich damit nicht richtig weiter. Wie kann ich damit anders umgehen?“


Vielen Dank für diese Frage. Sie beschreiben, dass Ihre Gefühle zu einer Art Gewohnheit geworden sind. Außerdem erleben Sie, dass es in den Gefühlen keinen eigenen Impuls gibt, sich zu verändern.


Vermutungen

Die eine Art mit solch einer Situation umzugehen ist es, eine Vermutung zu entwickeln. „Ich vermute“, könnten Sie beispielweise sagen, „dass etwas in mir unbedingt mit diesem Gefühl weiter kommen möchte, im Sinne von ‚Dieses Gefühl ist negativ, und das soll es auf keinen Fall bleiben.‘“


Sie können dies ausprobieren und sehen, ob es anklingt. Falls es anklingt, dann sind Sie auf der richtigen Spur, die sich vielleicht so formulieren ließe: „Etwas in mir ist ständig wütend und beharrt darauf wütend zu sein, ohne etwas konstruktives beitragen zu müssen. Etwas anderes in mir will dies nicht zulassen, findet es negativ und diskreditiert dieses Gefühl laufend.“


Focusing hat einen radikalen Ansatz: Kontakt und Beziehung. Es geht darum, in einen echten Kontakt mit den einzelnen Aspekten zu kommen. Dazu gehört, zu verstehen, worauf etwas in Ihnen eigentlich genau wütend ist. Dies ist oft nicht so einfach zu hören, weil es einen widerstreitenden Part gibt, der sich diesen Gefühlen gar nicht zu stellen traut.


Erst wenn beide Aspekte im Blick sind (und Sie nicht mehr mit der Reaktion auf die Wut verschmolzen) kann es darum gehen, ob und wenn ja wie sich eine Veränderung ergeben möchte.


Den Blick weiten, eine neue Richtungen einschlagen

Eine andere (besser: ergänzende) Art mit solch einer Situation umzugehen wäre es, auf Sie selbst zu schauen. Sie selbst können ja wählen, in welche Rollen Sie in Ihrem Leben schlüpfen – zumindestens, wenn Sie anfangen sich zum Beispiel im Angesicht einer Gewohnheit auch diese Frage zu stellen: „Wie möchte ich stattdessen leben?“. Denn Sie können beispielsweise sehen „Etwas in mir ist wütend und möchte immer so sein.“ – aber das bedeutet nicht, dass Sie als Person immer wütend sein müssen.


Ich denke, dass wir alle Gewohnheiten (und Identitäten) haben, die uns an einem bestimmten Punkt in unserem Leben zurückhalten. Gewohnheiten sind uns nur leider so gewohnt, dass es eine gewisse Anstrengung bedarf, diese zu ändern.


Im Focusing bedeutet dies, dass ich natürlich immer noch im Kontakt mit dem in mir bin, der wütend ist. Ich mache mich nur nicht zum Opfer dieser Wut, sondern kann langsam und Schritt für Schritt neue Entwicklungen und Möglichkeiten in meinem Leben hören.


Dazu gehört es auch, neue Perspektiven in den Focusing-Sitzungen einzunehmen, z.B. „Was wird jetzt (stattdessen) wichtig in meinem Leben?“ – „Welche Alternativen zeigen sich mir in dieser konkreten Situation?“ - „Wohin möchte dies alles jetzt entwickeln?“ – „Was ist jetzt möglich, was vor einem halben Jahr noch nicht möglich war?“

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