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Tipps & Tricks Nr. 46 – Passen andere Methoden mit Focusing zusammen?

Jemand stellt folgende Frage:


„Ich war auf einem Workshop, in dem es unter Anderem um das ‚innere Kind' ging. Aber etwas in mir sträubt sich gegen diese Methode. Was Sie im Tipps & Tricks Nr. 41 über die ‚sorgenvolle Zuwendung‘ zu ängstlichen Teilen geschrieben habe, traf es ganz gut. Da ist etwas in mir, das dieses sorgenvolle Nachfragen (‚Geht’s dir wieder schlecht, meine Kleine? Sag mir doch, was du brauchst. Ich kümmere mich um dich!‘) nicht gut ertragen kann. Auf dem Seminar habe ich mich dann zum ersten Mal einer Übung verweigert, was zu einer beträchtlichen Anspannung zwischen der Leitung und mir geführt hat. Ich habe versucht, zu erklären, dass ich diese Übung nicht für hilfreich halte, und dass ich im Focusing andere Erfahrungen mache, die mir besser helfen, einen inneren Dialog mit verschiedenen Teilen, die ich ja gerade erst kennenlerne, zu führen. Ich denke, Focusing und andere Methoden der persönlichen Entwicklung müssten sich doch eigentlich ganz gut ergänzen, aber das erlebe ich im Moment ganz anders. Haben Sie eine Idee dazu?“


Vielen Dank für diese Frage. Sie beschreiben, wie Sie zum ersten Mal eine Übung verweigert haben, die Ihnen nicht passend erschien. Sie suchen jetzt Klarheit, ob und wie Focusing und andere Methoden zusammen passen.


Die Verbindung im Erleben und inneren Handeln

Ich kann es gut verstehen, dass Sie, wenn Sie gerade eine Methode erlernen, erst einmal einen Konflikt erleben mit anderen Übungen oder Methoden. Generell ist Focusing aber nicht im Konflikt mit bestimmten Methoden oder Übungen; vielmehr befähigt Focusing, zu erkennen, was IM MOMENT passend, herausfordernd oder gewollt ist. Egal in welcher Situation Sie sich befinden, sich selbst dabei zu haben kann nicht schlecht oder per se ein „Konflikt“ sein.


Focusing ist letztlich der Prozess Ihres inneren Handelns. Sie handeln innerlich, Sie prüfen und wägen Dinge ab; Sie spüren, was sie Ihnen bedeuten. Sie interessieren sich dafür, wie sie sich entwickeln und entfalten möchten. Sie suchen nach Worten, Erklärungen. Dinge, die unklar sind, versuchen Sie klar zu bekommen.


Jede „Übung“ oder „Methode“ ist dann eigentlich nur ein Rahmen für dieses innere Handeln. Ohne das Verhalten, was im Focusing systematisch gelernt wird, könnten Sie sich innerhalb dieses Rahmens schwer orientieren. Sie wüssten dann nicht, was das alles mit Ihnen zu tun hat, oder wie Sie die Situation nutzen möchten. Oder wogegen Sie sich wehren möchten. (Wie im richtigen Leben ;)


Nein

Ein momentanes Nein zu finden ist m.E. ein guter Moment. Ihre Grenzen zu wahren ist essentiell für eine weitere Entwicklung, auch wenn das Nein nicht ewig Bestand hat. Eugene T Gendlin hat das sehr schön in seinem Text "Instructions for not following instructions" geschrieben. Er sagt, dass es im Focusing Anleitung und Übungen gibt, aber nur SIE können wissen, ob diese Schritte die richtigen sind. Wenn die Schritte und Übungen nicht passend sind, dann sind Sie frei, die Schritte zu verändern; denn Sie sind ja verbunden mit sich und die einzige Person, die dies mit Sicherheit wissen kann.


Insofern ist dein Nein zu einer Methode erst einmal nur ein Schritt in einer vielleicht komplexeren Geschichte. Sie können sich damit klar werden, dass Sie für sich sorgen können; und dass ein "Nein" möglich ist ohne eine Methode oder eine Beziehung völlig zu zerstören. Denn Sie bemerken ja, dass diese Methode oder Übung IM MOMENT nicht so gut passt. Sie brauchen diese Dinge deshalb auch nicht absolut zu diskutieren ("so ist es IMMER") sondern können sehen, wie es im Moment richtig ist.


Sie brauchen Raum und Zeit

In anderen Worten: Wenn Sie Focusing klar haben, dann entsteht ein Konflikt nicht zwischen Methoden. Sie erleben dann deshalb einen Konflikt, weil Sie merken, dass etwas in der aktuellen Situation nicht richtig passt und Sie Zeit und Raum haben möchten, um dies genauer zu verstehen.


Sie sagen also nicht „Etwas in mir sträubt sich und das ist die Wahrheit über Ihre schlechte Methode“, sondern „Ich spüre, etwas in mir sträubt sich. Ich bin wirklich interessiert daran, dies näher kennen zu lernen.“ Sollte dieser Wunsch, es näher kennen zu lernen, allerdings keinen Raum bekommt, dann wird der Konflikt sich sicherlich weiter entfalten.

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