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Tipps & Tricks Nr. 143 – Neu entstehende Sichtweisen unterstützen

In den Focusing-Tandems arbeitet man zusammen, um sich gegenseitig auf neuem Terrain zu begleiten. Wie ich mich dabei selbst sehe unterläuft über die Zeit einem fundamentalen Wandel. Wo ich mir vorher kritisch, zweifelnd, abwertend, emotionsgeladen gegenüberstand, kann ich nun warmherzig, mitfühlend und ausgleichend sein; und es gibt einen Weg, wie die Begleitung dies unterstützen kann.


Sind Sie also Teil eines Focusing-Tandems (dies ist möglich ab der dritten Sitzung des Einsteigerpaktes), dann ist dieser Tipp sicherlich von Interesse.


Ich erkläre das Vorgehen anhand eines konkreten Beispiels. Ich begleite jemanden, der unter starken Schmerzen im Nacken leidet. Es herrschen große Spannungen im oberen Bereich des Nackens und der gesamte Nacken fühlt sich steif an. Es gibt außerdem das Gefühl, schlechter atmen zu können, weil die Spannung im Nacken manchmal die Kehle abschnürt.


Aufhören sich zu wehren, eine neue Sichtweise wird möglich

Im Focusing entsteht nun nach kurzer Zeit eine grundlegende Erkenntnis. Ja, es herrscht Spannung im Nacken, aber das ist vor allem etwas, das sich gegen die Spannung wehrt (oder besser gegen die Gefühle, die darin verborgen sind; dazu später mehr). Sobald es möglich ist, diesen Anteil zu begrüßen und anzunehmen, verändert sich die Sichtweise auf die Spannung: Sie ist vor allem nichts mehr, das ständig bekämpft werden muss.


Dieser grundlegende Wandel in der Sichtweise auf die Spannungen im Nacken führt dazu, dass der Nacken sich innerhalb der Sitzung fast komplett entspannt. Auch der betroffene Arm und die Hände und Finger finden Entlastung – und, aus der Sicht des Klienten am wichtigsten, es entsteht Erleichterung im Herzen.


Die neue Sichtweise einüben helfen

Im Verlauf der Sitzung fällt es mir als Begleitung zu, diese neue Sichtweise auf die Spannung (und auf sich selbst) weiter zu unterstützen.


Ich reflektiere dazu nicht nur das, was konkret beschrieben wird (z.B. wie die Spannung im Nacken etwas auflockert, wie sie anfängt im Nacken zu sinken, wie dann der ganze Körper anfängt zu sinken …), sondern auch, WIE die Person die neue Sichtweise einüben kann. Die funktioniert natürlich nur dann, wenn dieser Wandel einmal von selbst eingesetzt hat.


Ich sage in diesem Fall also zum Beispiel: „Du spürst also, wie die Spannung im Nacken sich verändert und lockerer wird …“ (das ist die klassische Reflektion oder Spiegelung) und dann

  • … und du bist einfach dabei und gibst all diesen Veränderungen Raum

  • … und du lässt es einfach frei und folgst dem, was es tut

  • … und du bist dabei und beobachtest warmherzig und offen, WIE es dies tut

  • (wenn ein Atemzug kommt) … und du nimmst dir Zeit, einfach mit dem zusammen zu atmen und Platz für es zu machen

Ich bekräftige sozusagen, was die Person tun kann bzw. wie die Person sein kann …

  • ANSTATT sich gegen Spannung zu wehren (z.B. Raum zu geben)

  • ANSTATT die Gefühle in der Spannung zu ignorieren (z.B. diese zu benennen, sich zuzuwenden)

  • ANSTATT negativen Sichtweisen zu folgen (z.B. es einfach zu beschreiben, ohne es zu bewerten)

Dies ist eine hilfreiche Erweiterung der klassischen Reflektion, braucht aber gleichzeitig Erfahrung in der Begleitung, sodass nicht weiterer Druck oder Erwartungen entstehen. Daher nehme ich als Begleitung in diese Reflektion möglichst nur das auf, was ich schon vom Focuser selbst gehört habe.

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